Wir alle lieben die kleinen Vorfrühlingsboten, die sich mitunter schon zeigen, bevor der letzte Schnee geschmolzen ist. Ihr Anblick lässt unsere Herzen höher schlagen, denn die Erwartung des Frühlings macht sich breit und die Vorfreude auf das kommende Gartenjahr steigt an. Auf Augenhöhe mit den zierlichen Blüten offenbart sich ihre erstaunliche Vielfalt. Wagen Sie mit uns einen Blick und riskieren Sie es, von der Schneeglöckchen-Sammelsucht angesteckt zu werden.
Name
Galanthus nivalis
Frucht
Kapselfrucht
Lebenszyklus
mehrjährig
Bodenverhältnisse
humos, durchlässig
Wuchshöhe
10 bis 15 Zentimeter
Lichtverhältnisse
Halbschatten
Verwendung
Unterpflanzung von Sträuchern, zwischen Stauden und auf Rasenflächen
Wuchsform
Zwiebelblume
Winterhärte
winterhart
Blüte
weiße Blütenglöckchen
Giftigkeit
giftig
Blatt
lang, spitz zulaufend
Kaum lässt der Winter etwas nach, schiebt sich erstes Grün aus dem Boden. Zu Beginn nur kleine Spitzen, dann gewinnen die Blätter der Schneeglöckchen und auch ihre Blütenstiele an Länge. Anfangs schützt ein kapuzenartiges Hochblatt die zarten Blüten vor strenger Kälte.
Doch schon bald nicken die ersten weißen Schneeglöckchen. Bei günstiger Witterung wagen sich die Blüten aus ihrem Versteck. Dabei geschieht Erstaunliches: Um die Schneedecke zu durchbrechen, produziert das kleine Zwiebelgewächs Wärme.
Wie das Schneeglöckchen Wärme erzeugt
Mit Hilfe des einsetzenden Stoffwechsels, der Umwandlung von Stärke zu Zucker, entwickeln die zarten Vorfrühlingsblüher eine Biowärme von etwa 8 bis 10 °C. Die lässt den Schnee um Stängel und Blätter schmelzen und sorgt gleichzeitig für die nötigen Wassergaben an den trockenheitsempfindlichen Zwiebelchen.
Schneeglöckchen enthalten giftige Alkaloide, sind also giftig für Mensch und Tier. Die Giftstoffe sind in allen Teilen der Pflanzen enthalten, in der Zwiebel aber in besonders hoher Konzentration. Bei Verzehr kann es unter anderem zu Vergiftungserscheinungen wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufproblemen und Schweißausbrüchen kommen.
Kurz nach dem Austrieb der Schneeglöckchen zieren auch schon weiße Tuffs den Garten. Ein Blütenmeer überzieht dann wie eine geschlossene Schneedecke den Boden von Waldwiesen, Auen und Laubwäldern. Leider sind Schneeglöckchen an Naturstandorten selten geworden. Deshalb ist Ausgraben hier strengstens verboten!
Beim teppichartigen Ausbreiten machen Ameisen den Schneeglöckchen Beine. Bei den emsigen Insekten sind die Samen wegen ihrer nahrhaften Anhängsel (Elaiosom) beliebt. Auf dem Weg zum Ameisenhaufen können die Krabbler der Versuchung oft nicht widerstehen: Sie fressen den Nährkörper auf und lassen den Samen unbeachtet liegen.
Die Gattung der Schneeglöckchen umfasst 15 bis 20 Arten. Von ihnen ist das heimische Kleinblütige Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) das bekannteste. Unzählige Zuchtformen entstanden aus ihm sowie aus östlichen Vettern wie G. elwesii und G. plicatus – großblumige, gefüllte, stark duftende Sorten oder solche mit besonderer Zeichnung auf den Blütenblättern. Bei gefüllten Blüten sitzt das doppelte oder mehrfache Krönchen zwischen den äußeren Blütenblättern (zum Beispiel ‘Ailwyn’). Bei ‘Mrs. Tompson’ stehen sogar fünf innere und äußere Blütenblätter beisammen.
Begehrt sind Varianten mit Gelbfärbung, etwa ‘Primrose Warburg’. Der rundliche Fruchtknoten über der Blüte (Ovarium) ist hier ebenso sattgelb wie die Blüten-Zeichnung. Je länger sich die gelben Spielarten am Standort etablieren dürfen, desto intensiver wird ihr Gelbton.
Unterscheidungsmerkmale sind die Anzahl der Blüten an einem Stiel, Stiellänge, Blütengröße, Blattfarbe und -form. Außerdem die verschiedenen Blütezeiten: Das mediterrane Königin-Olga-Schneeglöckchen eröffnet schon im Herbst den Blütenreigen – bei uns nur im Kalthaus zu erleben. Frühe Sorten wie ‘Ding Dong’ setzen ihn im Januar fort. Im Februar feiert das Glockengeläut seinen Höhepunkt, bis ‘April Fool’ Anfang April dann den Schlussakkord anstimmt.
Wenn ihnen der Standort zusagt, eignen sich Schneeglöckchen auch zum Verwildern. Sie breiten sich dann aus eigener Kraft im Garten aus – ein wunderbares Bild, wenn sich an verschiedenen Stellen die Tuffs der kleinen Frühblüher zeigen, wie sie unerschütterlich der Kälte trotzen.
Wichtig für die erfolgreiche Verwilderung der Schneeglöckchen ist lockerer, humusreicher und sehr gut wasserdurchlässiger Boden. Außerdem muss es eine Stelle im Garten sein, an der sich die Zwiebelchen ungestört entwickeln können, an der also keine Bodenbearbeitung stattfindet. Eine lockere, lückige Grasnarbe an einem lichten Gehölzrand kann ein solcher Standort sein.
Schön sind Schneeglöckchen auch zusammen mit anderen kleinen und ausbreitungsfreudigen Frühblühern wie dem zart anmutenden Elfen-Krokus (Crocus tommasinianus) oder den leuchtend gelben Winterlingen (Eranthis).
Überall Schneeglöckchen – Wie kommt das?
Ameisen haben den nahrhaften Fortsatz am Samen zum Fressen gern. Ist alles aufgefuttert, lassen sie den Samen einfach irgendwo liegen, und nach einigen Jahren blüht hier ein Schneeglöckchen.
Bis wann kann man Schneeglöckchen pflanzen? Wer von August bis spätestens Ende Oktober Zwiebelblumen wie Schneeglöckchen, aber auch Krokusse oder Winterlinge ins Staudenbeet steckt, kann sich im Frühling an den bunten Farbtupfern erfreuen. Setzen Sie Blumenzwiebeln dabei doppelt so tief, wie sie hoch sind.
Die fröhlich bunten Blüten lassen nach den grauen Wintertagen das Herz aufgehen, und die ersten Hummeln, Bienen und Schmetterlinge finden in den Blüten die so wichtige erste Nahrung im Jahr.
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Der unkomplizierte Wuchs des Schneeglöckchens ist sicher nur ein Grund für seine Beliebtheit: Pflanzt man es in den Schatten sommergrüner Sträucher und ist der Boden durchlässig, aber nicht allzu trocken, braucht man nach wenigen Jahren nur die dichten Bestände zu teilen und direkt nach der Blüte wieder einzupflanzen. Ein Platz unter sommergrünen Gehölzen hat auch einen weiteren Vorteil: Die Sträucher lassen im Frühjahr reichlich Sonne an das Galanthuslaub, sorgen später aber für kühlenden Schatten und halten die wichtige Feuchtigkeit im Boden. So fühlen sich die Glöckchen wohl, setzen reichlich Samen an und tauchen dann oft irgendwo im Garten wieder auf.
Schneeglöckchen lassen sich zwar über eine Aussaat vermehren, allerdings kann die Keimdauer der Samen mehrere Jahre betragen. Einfacher ist es daher, im Frühjahr Jungpflanzen zu erwerben und diese einzupflanzen oder im Herbst die Zwiebeln zu setzen – am besten bringt man sie fünf bis acht Zentimeter tief und im Abstand von circa zehn Zentimetern in die Erde.
Ein anderer geeigneter Zeitpunkt, um Schneeglöckchen zu pflanzen – oder besser: zu verpflanzen – ist der Frühlingsanfang. Und zwar am besten genau dann, wenn die Phase der Blüte gerade endet. Die Schneeglöckchen verblühen langsam und beginnen damit, ihre Samenkapseln auszubilden.
Etwa ab Ende März lassen sich die Frühlingsboten gut teilen und vermehren. Dieses Vorgehen eignet sich besonders dann, wenn sich die Schneeglöckchen stark über eine große Fläche ausgebreitet haben und in ihrer Mitte kaum noch schöne Blüten ausbilden.
Versetzt man die Tuffs nach dem Teilen an einen anderen geeigneten Platz, wird die Zwiebelblume außerdem auch wieder in gute Blüh- und Wachstumsstimmung versetzt und den Garten schon bald mit hübschen, vollen Blüten bereichern. Wie das Teilen und Vermehren funktioniert, zeigt Gardify-Experte Dr. Markus Phlippen im Video.
Dr. Markus Phlippen ist promovierter Biologe und Buchautor. Seit Jahrzehnten ist er als TV-Gartenexperte im WDR bekannt. Er ist der wissenschaftliche Leiter von Gardify, einer Garten-App für Hobby- und Profigärtner, die unter anderem einen To-do-Kalender bereithält, Pflanzen scannt und bestimmt, das Garten-Wetter präsentiert und in der Kategorie „Pflanzen-Doc“ Nutzer-Fragen zu Pflege, Krankheiten und Schädlingsbefall beantwortet.
Die Briten haben eine besondere Liebe zu Schneeglöckchen entwickelt. „Snowdrops“ heißen sie dort. „Let’s go snowdropping“, rufen die wahren Enthusiast*innen, wenn sie alljährlich ab Februar auf Schneeglöckchen-Safari gehen. Im schottischen Cambo Estate beispielsweise sind sie auf der Suche nach ganz besonderen Exemplaren. Das perfekte Schneeglöckchen besitzt einen pokuliformen Blütenbau: Die inneren Blütenblätter sind genauso geformt wie die äußeren. Die Sorte ‘E. A. Bowles’ etwa hat sechs gleich große, schneeweiße Blütenblätter. Je außergewöhnlicher die Färbung und der Blütenbau, desto höher der Preis. Deshalb werden unter Sammlern die „Schneetropfen“ nicht als Zwiebeln, sondern als blühende Pflanzen gehandelt.
Diese Galanthomanie hat mittlerweile auch Deutschland erreicht. Auch hier können Sie sich auf Veranstaltungen wie den Schneeglöckchentagen im Kloster Knechtsteden im Rheinland von der filigranen Blütenvielfalt der weißen Winzlinge berühren und verführen lassen. Im Luisenpark in Mannheim finden ebenfalls Schneeglöckchentage statt. In der Schweiz ist in den Meriangärten in Basel eine Schneeglöckchensammlung im Aufbau und in Ost-Groningen in den Niederlanden öffnen einige Gartenbesitzer*innen ihre Pforten während der Schneeglöckchen-Sonntage.
Alle Schneeglöckchen-Liebhaber*innen und die, die es noch werden wollen, finden in der GartenFlora 2/2020 einen umfangreichen Bericht über die Schneeglöckchentage im Kloster Knechtsteden, die Galanthophile von weither anlocken. Die Ausgabe, die für Abonnenten des Kombi- und des Digitial-Abos noch als E-Paper zur Verfügung steht, enthält außerdem Tipps rund ums Schneeglöckchen und zu besonderen Sorten sowie zum Besuch des Festivals, auf dem auch viele andere Frühblüher erhältlich sind.
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