Ein frühmorgendlicher Nebelschleier lag über dem Garten von Ekkehard und Gitta Bräuer, als wir sie an einem Herbsttag besuchten. Beide haben ein Faible für seltene Gehölze wie Amberbaum und Sumpfzypresse, die jetzt beginnen, ihre Farben-Trumpfkarte auszuspielen.
Kapriziös, so nennt Ekkehard Bräuer seinen Amberbaum. Erst jetzt im Herbst zeigt sich, ob es ein gutes Amberbaumjahr war. „Das hängt mit den Niederschlägen zusammen.“ In trockenen Jahren sind seine Blätter im Herbst flammendrot, in feuchten Jahren nur leicht gelb gefärbt. Und wenn der Frost zu zeitig zuschlägt, fallen die Blätter grün zu Boden, ohne sich überhaupt zu verfärben. Eben etwas eigenwillig.
Der Amberbaum (Liquidambar) ist nur eines von vielen ungewöhnlichen Gehölzen im Garten von Ekkehard und Gitta Bräuer. Sie sind an markanten Stellen im knapp 5000 Quadratmeter großen Areal verteilt. Am Wohnhaus lockt der Kuchenbaum (Cercidiphyllum) im Herbst mit seinem süßlichen Sandkuchen-Duft, der bei feuchtem Wetter besonders intensiv ist. Bereits im frühen Herbst färben sich die Blätter des Eisenholzbaums (Parrotia) lebhaft orange und scharlachrot. Urweltmammutbaum (Metasequoia) und Sumpfzypresse (Taxodium) gehören zu den seltenen laubabwerfenden Nadelgehölzen. Doch bevor die Nadelblätter fallen, zeigen sie sich in kupferrotem Ton. Der Urweltmammutbaum ist einer der Lieblinge von Ekkehard Bräuer. Er hat ihn selbst vor einigen Jahrzehnten gepflanzt. Damit der Urweltriese ungehindert wachsen und sich seiner Art entsprechend entfalten kann, musste der benachbarte Trompetenbaum bereits einen Ast opfern.
Lass’ den Pflanzen ihren Raum! Das ist heute ein wichtiges Motto im Landschaftsgarten bei Brandenburg an der Havel. In der Anfangszeit war das noch nicht so. „Damals wussten wir nicht, was richtig ist, was gut aussieht“, sagt Gitta Bräuer.
Majestätisch breitet sich der Kuchenbaum seine Zweige über den Vorgarten. Seine leuchtend gelben Blätter duften im Herbst angenehm süß. Vor rund 46 Jahren erstanden die Bräuers das Grundstück samt darauf stehenden Kiefern, Birken und Blaufichten. „Das hier war ein Mischwald mit Weihnachtsbäumen.“ Die Vorbesitzerin pflanzte noch Blaufichten, die erst zu Weihnachtsbaumgröße heranwachsen und dann verkauft werden sollten. Dazu kam es nicht mehr. Der Wald wurde bald ausgelichtet, um Platz für die neuen Bäume zu schaffen. Doch wie sollte es weitergehen? Es war Hermann Göritz (1902–1998), der bekannte Gartenarchitekt, der ihnen die Augen für die optimale Gestaltung öffnete. Eine Schicksalsbegegnung. Denn auf seinen Rat hin entstand ein Landschaftsgarten, der den ungewöhnlichen Bäumen die richtige Bühne gab, sie in den Mittelpunkt stellte.
Der Schüler und Freund des legendären Staudenzüchters Karl Foerster half dabei, den großen Waldgarten naturnah zu gestalten. Um Urweltmammutbaum & Co. wurden geschwungene Pflanzinseln angelegt, in denen nur wenige Stauden großflächig gepflanzt sind. Goldrute, Kerzen-Knöterich und kleinblütige Astern unterstreichen die naturhafte Wirkung des Landschaftsgartens. Efeu, Spindelstrauch, Immergrün und Storchschnabel bedecken großzügig den Boden, grenzen die Beete ein und dürfen sogar etwas in die breiten Rasenwege wachsen, die den Garten zusammenhalten.
Herbstliche Farbenspiele haben Gitta und Ekkehard Bäuer in ihrem Waldgarten ganz bewusst geplant. Doch es brauchte Mut, der üppigen Staudenpracht abzuschwören und nur auf wenige, vor allem wildhafte Stauden zu setzen. Und wie halten die beiden Gärtner ihren Grund in Schuss? Schließlich will der große Garten gepflegt sein. „Das machen wir alles selbst“, erzählt Ekkehard Bräuer stolz. Zugegeben, der Aufsitzrasenmäher ist eine große Hilfe, die breiten Rasenwege begehbar zu halten.
Der Rasen ist Ekkehard Bräuers Domäne. Den Feinschliff übernimmt seine Frau Gitta: „Ich schneide mit einer Schere die Rasenkanten fein, mal vor, mal nach dem Mähen. Denn zu nah darf er nicht an die Beete ranfahren.“ Sonst werden die Blätter von Storchschnabel & Co., die sich auf den Rasen vorwagten, von den scharfen Rasenmähermessern einfach abrasiert.
Der Garten wächst. Vor einigen Jahren erweiterten Bräuers ihren Garten um ein Stück des angrenzenden Waldes. Die neue Waldpartie wurde zum Meisterstück. Ganz im Sinne ihres Mentoren Hermann Göritz gestalteten beide die Partie zurückhaltend und naturnah mit flächigen Pflanzungen. Zwischen Wald und Garten gibt es einen sanften Übergang, mit vielen Farnen und Mahonien unter den vereinzelt stehenden, hohen Eichen. Nur ein fast unsichtbarer Maschenzaun trennt Garten und Wald. Nun kann Gitta Bräuer von ihrer Küche aus bis in den Wald schauen. „Da haben die Waldbesucher was von unserem Garten, und wir vom Wald!“
Natalie Fassmann
Hermann Göritz Hermann Göritz (1902 –1998) gehörte zum bekannten, 1927 gegründeten Bornimer Kreis um den Staudenzüchter Karl Foerster. In diesem Kreis aus Künstlern, Architekten und Gärtnern kamen auch die Stadtplanerin Herta Hammerbacher (1900 –1985) und die Gartenarchitekten Hermann Mattern (1902–1971) und Walter Funcke (1907–1987) zusammen. Diese Gruppe beeinflusste maßgeblich die Pflanzenverwendung im 20. Jahrhundert. Göritz plante sowohl Hausgärten als auch öffentliche Grünanlagen. Eine seiner berühmtesten Arbeiten ist die Freundschaftsinsel in Potsdam, die er gemeinsam mit Mattern und Funcke über mehrere Jahrzehnte gestaltete.