Shí dà gõngláo – zehn Verdienste oder Tugenden – heißt das vermeintlich nicht sehr spektakuläre Allerweltsgrün Mahonie im Chinesischen. Wir haben nachgezählt und die größten Vorzüge der Zierpflanze für Sie aufgeführt.
Mahonie – voraussichtliche Lesedauer: 6 Minuten
Zugegeben, auf den ersten Blick scheint die Mahonie vor allem durch Anspruchslosigkeit zu glänzen: Den Lückenbüßer im Unterholz spielt die aus Nordamerika stammende Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolium) so oft, dass wir sie uns in kaum einer anderen Rolle mehr vorstellen können.
Und tatsächlich ist sie bestens geeignet, um eine nachträglich entstandene Lücke in der Einfassung zu schließen. Denn selbst als Jungpflanze erträgt sie Wurzeldruck und Schatten klaglos, solange ihr eine ausreichende Wasserversorgung gesichert ist.
Oft genug stiehlt sie den eigentlichen Heckenpflanzen sogar die Schau, denn obwohl die Mahonie immergrün ist, streift sie sich im Herbst ein hübsch gelb-orangefarbenes Laubkleid über. Und mit ihren spitzenbewehrten Blättern bietet sie Vögeln dabei ein sicheres Brutquartier … Haben sich da nicht schon die ersten Tugenden wie Anspruchslosigkeit (1), immergrün mit Herbstfärbung (2) und Vogelschutz (3) aufgetan?
Auch den Bienen ist Mahonia aquifolium eine Freude, denn sie liefert außerordentlich spendabel Nektar und Pollen zur „besten Flugzeit“ im April und Mai (4). Auf den Geschmack gekommen sind die Insekten zuvor schon durch die bedeutend früher blühende Sorte ‘Winter Sun’ (ein Kreuzungsprodukt zweier aus Japan bzw. China stammender Mahonienarten). Sie öffnet bereits ab Januar, manchmal schon im Dezember, ihre gelben Blütenwolken, die einen warmen Honigduft (5) verströmen.
In jungen Jahren braucht ‘Winter Sun’ noch einen Frostschutz aus Laub und Reisig. Doch als ältere, gut eingewachsene Pflanze ist sie an einem geschützten Standort ohne kalte Winde und mit gutem Wasserabzug dann ausreichend frosthart.
Den kleinen Aufwand in den Jugendjahren nehmen wir gern in Kauf, denn die asiatischen Arten wachsen meist zu sehr schönen, trichterförmig gebauten, etwa 1,8 m hohen Sträuchern mit schlanker Wespentaille am Wurzelhals heran: Viel zu schön also, um sie im Unterholz zu verstecken. Und ideal, um ihrerseits unterpflanzt zu werden. Zum Beispiel mit empfindlicheren Kleingehölzen wie dem Geschlitztblättrigen Ahorn, der so vor Hagel, Platzregen und allzu intensiver Sonneneinstrahlung geschützt ist.
Größer noch als die mannshohe ‘Winter Sun’ wächst die gut winterharte Schmuck-Mahonie (M. bealei). Ihr Entdecker Robert Fortune beschrieb sie auf seiner China-Expedition: „Ihre Schönheit übertraf alle Mahonien bei Weitem. Sie hatte nur einen Fehler, nämlich, dass sie mit 2,5 m zu groß war, um sie transportieren zu können.“
In unseren Gefilden erreicht sie maximal 2 m Höhe. Tatsächlich gehört sie aber dank ihres steif aufrechten Wuchses und der straußförmig aus der Triebspitze ragenden Blütenstände zu den Schönsten ihrer Gattung. Als Solitär sollte sie einen Logenplatz auf der Rasenfläche oder im Beet bekommen.
Neben all diesen höher wachsenden Arten gibt es auch niedrigere, die hervorragende immergrüne Bodendecker (6) abgeben. Mahonia nervosa ist hier als Allererstes zu nennen. Ihr deutscher Name „Nervige Mahonie“ ist dabei keineswegs auf ihre Wesensart, sondern auf die gut erkennbaren Blattnerven zurückzuführen. Diese wertvolle Art wird nur etwa einen halben Meter hoch. Dank kurzer Ausläuferbildung gilt sie als verlässlicher Erosionsschutz, etwa am Hang. Mahonia nervosa schätzt eher sauren Boden, ist dankbar für Nadelerde und zum Beispiel neben Rhododendren oder Hortensien in bester Gesellschaft.
Leider ist sie in deutschen Baumschulen kaum zu bekommen, denn die Kriechende Mahonie (Mahonia repens) hatte den Ruf der Gattung als Bodendecker weitgehend zunichtegemacht, nachdem ihre eigentlich guten Eigenschaften durch vielerlei Einkreuzungen verloren gegangen waren. Erst seit erneut Material vom Naturstandort in die Vermehrung einfließt, hält die Art wieder, was sie verspricht.
Auch im Kübel machen Mahonien eine gute Figur (7), wie die knapp einen Meter hohe ‘Apollo’, die durch sehr kompakten Wuchs und überreiche Blüte glänzt. Neuerdings entpuppt sich sogar manch vermeintlicher Kübel-Bambus als Mahonie: Die Sorte ‘Soft Caress’, erst seit 2013 im Handel, überrascht mit einmalig stachellosem, bambus- oder farnartigem Laub und sehr später Blüte im September/Oktober.
Die exotisch anmutende „Sanfte Liebkosung“ – so lautet ihr Name übersetzt – wird häufig als sehr frostempfindlich beschrieben. In einem unserer Redaktionsgärten im winterkalten Berlin übersteht sie jedoch erstaunlich problemlos die trübe Zeit. Ausgepflanzt, gut eingewurzelt und durch eine Laubschütte geschützt, wohlgemerkt.
Vielleicht wäre sie auch in Ihrem Garten einen Versuch wert? Mit 1x1m Größe findet sie selbst auf winzigen Grundstücken Platz und ist zudem, wie alle Mahonien, eher langsamwüchsig und extrem schnittverträglich (8).
Ihre blauschwarzen Früchte übrigens sind – ebenfalls entgegen mancher Literaturmeinung – nicht giftig (9), solange man sie nicht kiloweise roh verzehrt.
Fehlt noch ein Punkt, um die Zehn vollzumachen … Vielleicht hatten die mit wilden Mahonien-Arten reich gesegneten Chinesen bei der Namensfindung schlicht die Vielfalt der Gattung (10) im Blick.
Immerhin finden sich zum Beispiel auch rotblühende (M. gracilipes) oder bronzeblättrige (‘Atropurpurea’) Varianten. Eine Sammlung von etwa 80 Arten und Sorten ist im Windsor Great Park bei London zu bestaunen.
Und ehrlich: Hätten die englischen Könige einem schnöden Lückenbüßer diesen Ehrenplatz im Schlosspark gewährt?
KERSTIN ACKERMANN
Sie möchten unbedingt einen winterblühenden Zierstrauch in Ihren Garten pflanzen? Dann lesen Sie doch unseren Beitrag zur Schneeheide.
Wir freuen uns auf Sie!
Das sind die Top-Themen: