Die Stecklingsvermehrung bei Stauden ist eine alte, bewährte Methode, wenn man aus einer guten Pflanze viele weitere mit genau den gleichen Eigenschaften gewinnen möchte. Damit sie gelingt, sind gärtnerisches Knowhow und Erfahrung nötig.
Fangen wir mal damit an: Wissen Sie, was gespannte Luft ist? Sie denken jetzt vielleicht an eine Meinungsverschiedenheit im Wohnzimmer oder in der Chefetage. Ein Gärtner meint damit aber etwas anderes, und schon jeder Gärtnerlehrling lernt schnell den Begriff „gespannte Luft“ kennen. Es ist die Umgebung, die ein Pflanzensteckling braucht, bis er eigene Wurzeln gebildet hat und sich selbst mit Wasser und Nährstoffen versorgen kann.
Doch wie eigentlich praktiziert man diese Stauden durch Stecklingsvermehrung? Das ist schnell erklärt: Man entnimmt ein Stück von einer guten Mutterpflanze und steckt es in die Erde, um daraus eine neue Pflanze zu ziehen. Dazu ist für einige Tage oder Wochen „gespannte Luft“ nötig. Der Gärtner schafft sie im Gewächshaus, Frühbeet oder Folienzelt durch reichlich Feuchtigkeit im Boden und in der Luft, durch geregelte Temperatur und Schattieren.
» Stecklingsvermehrung von Buchsbaum
Im eigenen Garten lässt sich für die Stauden Vermehrung gut ein Minigewächshaus nutzen, man kann es selbst bauen. Einfache Konstruktionen gibt es preiswert im Fachhandel.
Gerne verwende ich, vielleicht lachen Sie jetzt, für besonders wichtige oder heikle Stecklinge Plastikflaschen, schneide den Boden heraus und stülpe sie als Minigewächshäuser über die Töpfe mit den Stecklingen. Das funktioniert hervorragend, unter anderem bei unseren Waldreben.
Diese „Flaschenmethode“ probierte übrigens zuerst meine Frau bei ihren Fuchsien. Wir verwenden sie auch für vereinzelte Stecklinge, die versehentlich bei Gartenarbeiten anfallen. So ganz nebenbei wächst daraus ein nettes Geschenk für Nachbarn oder Freunde heran. Das braucht man immer mal.
Entscheidend für den Erfolg ist der Zeitpunkt der Stecklingsentnahme für die stauden Vermehrung. Am schnellsten und sichersten klappt es mit dem Bewurzeln im Frühjahr und Frühsommer, wenn die ganze Pflanze auf Wachstum eingestellt ist. Ist erst das Blühstadium erreicht, gelingt es meist nicht mehr. Ich schneide Stecklinge gern am frühen Morgen, wenn die Pflanzen noch vor Kraft strotzen. Ganz Vorsichtige können sich am Mondkalender orientieren, der besonders geeignete Tage ausweist.
Natürlich muss der Steckling, unabhängig von Tag und Stunde, eine gewisse Reife haben, die der Gärtner durch Biegen zwischen den Fingern prüft. Zu weiche Stecklinge gehen bei gespannter Luft schnell in Fäulnis über.
Manchmal gibt es nur ein kleines Zeitfenster, in dem sich Stecklinge besonders schnell bewurzeln. So habe ich für meine Stauden-Clematis Anfang Mai notiert. Überhaupt ist der Mai ein guter Stecklingsmonat. Bei einigen Stauden aber, z. B. bei Phlox und Winterastern, kann ich noch bis in den Juni hinein Stecklinge abnehmen. Am besten wird sein, Sie probieren es einfach selbst einmal aus.
Dr. Konrad Näser
Das obere Ende eines Triebes ergibt den Kopfsteckling. Manchmal gelingt es, ein darunter abgeschnittenes Stück, den Stängelsteckling, ebenfalls zum Bewurzeln zu bringen. Im Frühjahr, wenn die Pflanze erst wenige Zentimeter hoch ist, kann man einen Grundsteckling entnehmen, z. B. vom Tränenden Herz oder vom Kaukasus-Vergissmeinnicht. In seltenen Fällen bilden sogar Blattstecklinge Wurzeln, etwa beim Herbst-Sedum oder dem seltenen Felsenteller.
Beste Stecklingszeit ist meist Anfang Mai bis Mitte Juni!
Zu spät geschnittene Stecklinge bilden keine Überwinterungsknospen mehr aus, sie überleben den Winter nicht. Das gilt nicht nur für den Phlox, sondern auch für andere Stauden, wie Herbst-Astern und Chrysanthemen.
Legen wir also los: Wo ist das scharfe Messer? Mit dem wird der Steckling dicht unter einem Stängelknoten oder einem Blattpaar von der Pflanze geschnitten. Außerdem brauche ich gute Stecklingserde. Ich verwende meine eigene Mischung aus Kompost und Sand. Eine kleine Menge Torf kommt dazu, für die Wasserhaltekraft. Dennoch ist das feste Andrücken nach dem Stecken ganz wichtig, ebenso eine Abdeckung.
Stecklinge schlappen schnell! Natürlich stelle ich die Kistchen nicht in die Sonne, doch wem erzähle ich das? Dann heißt es warten, meist zwei bis drei Wochen, manchmal auch länger, bis erste neue Blättchen die erfolgreiche Bewurzelung anzeigen. Wenn es schließlich soweit ist, wird vorsichtig gelüftet – und das Schwierigste ist schon geschafft.
Bewurzelungspulver verwende ich schon immer gern. Es beschleunigt die Wurzelbildung, die gefährliche wurzellose Phase wird schneller überwunden.
Meine uralte Pulverdose steht griffbereit im Regal, allerdings enthält sie nicht mehr das Originalpulver. Als es verbraucht und nicht mehr erhältlich war, stellte ich auf Neudofix Wurzel Aktivator um.
Gold-Garbe benötigt nur drei Wochen bis zur Wurzelbildung. Weil zu weiche Stecklinge leicht faulen, beginnt man nicht vor Mitte Mai mit dem Stecklingsschnitt.
Selbstaussäer sind unerwünscht, denn die Eigenschaften von Sämlingen variieren. So wird Veronica ‘Lila Karina’ schon vor der Samenreife zurückgeschnitten. Sortenechten Zuwachs gibt es aus Stecklingen.
Sonnenbräute für meine Bienen habe ich nie genug. Für sie gilt: rechtzeitig stecken. Zu späte Stecklinge bilden keine oder kümmerliche Überwinterungsrosetten.
Aber gewiss improvisiere ich auch, wenn sich dabei Geld sparen lässt. Und zwar mit bestem Erfolg. Biegsame Ruten von Hasel oder Weide eignen sich prima für ein „Zeltgestänge“. Gespannte Luft unter der Plastikflasche: Unter die Haube bringe ich vor allem besonders lange Stecklinge, zum Beispiel die meiner Stauden-Clematis.
Einige Zeit habe ich herumexperimentiert, bis mir bei den Stauden-Clematis Erfolg beschieden war. Was wieder bestätigt: Man darf sich nicht vorschnell entmutigen lassen. Dann klappte es, weil ich endlich den richtigen Zeitpunkt erwischte.
1 Das günstige Zeitfenster ist klein, es reicht von Anfang bis Mitte Mai. Dann schneide ich direkt unter einem Blattknoten die Stecklinge.
2 Gesellig in der Kiste, doch jeder Steckling hat seinen eigenen Topf mit sandigem Substrat, den er durchwurzeln soll. Darüber kommt eine Folienhaube, bevor ich die Kiste an einen schattigen Platz trage.
3 Ansehnliche Jungpflanzen, die teils schon blühen, sind da bis Mitte September herangewachsen. Bei Clematis heracleifolia habe ich den Bogen raus!