Wenn Heike Zylka-Karl ihre grünen Schützlinge mal wieder nur mit der Kneifzange anfasst, ist das kein Zeichen mangelnder Wertschätzung. Im Gegenteil, denn Jin- und Shari-Zangen sind wichtige Werkzeuge bei der Bonsaigestaltung. Die Zangen dienen dazu, einzelne Ast- oder Stammbereiche zu entrinden, was das Bäumchen optisch altern lässt. Richtig eingesetzt, gewinnt nicht nur das Erscheinungsbild, sondern die Pflanze steigt auch in ihrem monetären Wert.
Wenn es hierzulande jemanden gibt, der die hohe Kunst der Bonsai-Gestaltung von klein auf gelernt hat, dann Heike Zylka-Karl. Die heute 48-Jährige war 1984 deutschlandweit die erste Auszubildende zur Gärtnerin der Fachrichtung Baumschule in einem Bonsai-Betrieb.
„Meine erste Begegnung mit Bonsais hatte ich schon als 13-Jährige im Schulpraktikum in einem Blumenladen. Damals fand ich die kleinen Bäumchen niedlich und beeindruckend zugleich. Aber erst, als wir einige Jahre später in die Nähe der Bonsaibaumschule Enger gezogen sind, hat sich das verfestigt und ich war sicher, dass ich unheimlich gerne mit Bonsais arbeiten möchte.“
Die Bonsaischule war zu der Zeit noch im Entstehen begriffen und Heike Zylka-Karl benötigte eine Sondergenehmigung, um ihre Ausbildung aufnehmen zu können. Der Einsatz ihrer Arbeitgeber hat sich für beide Seiten gelohnt: Auch heute noch, 30 Jahre später, kommt die gebürtige Gelsenkirchenerin beim Thema Bonsai ins Schwärmen – nicht zuletzt dank der vielen netten Menschen, die sie im Laufe der Jahre getroffen hat.
„Wer sich mit Bonsais beschäftigt, hat auch immer mit Menschen zu tun“, erklärt Zylka-Karl. „Wir haben unheimlich viele Stammkunden, schon weil die meisten Bonsaifans Sammler sind. Einige haben nur wenige Exemplare, andere über Hundert. Viele Kunden bringen uns Bäume zur Urlaubs- oder Krankenpflege oder zum Überwintern. Manche besuche ich mit meinem Werkzeug zuhause und nehme dort die Pflegearbeiten wie Schneiden, Drahten, Umtopfen oder Pflanzenschutzmaßnahmen vor.“
Die Seminare, die sie jedes Jahr an zahlreichen Wochenenden gibt, machen ihr am meisten Spaß. Die Ausrichtung der Seminare ist unterschiedlich, erläutert Heike Zylka-Karl: „Zu bestimmten Themen oder zum freien Arbeiten in kleinen Gruppen. Das ist immer eine richtig nette Atmosphäre, und weil viele Teilnehmer immer mal wieder dabei sind, lernt man sich mit der Zeit gut kennen.“ So gut, dass zwischen Bäumchen und Schalen, Scheren und Wurzelkrallen schon so manche Freundschaft entstanden ist – ein Pärchen, das sich in ihrem Kurs kennenlernte, begleitete die Gärtnerin sogar als Trauzeugin bis vor den Altar.
Heike Zylka-Karl freut sich jeden Tag darüber, dass ihre Arbeit und ihre freundliche Art geschätzt werden. Auch die kleinen Annehmlichkeiten und spannenden Momente ihres Berufes schätzt sie: Sie kann sowohl drinnen als auch draußen arbeiten und zum Beispiel zu formierenden Bäumchen ins Gewächshaus fahren, um sie dort zu bearbeiten, wenn es heftig regnet.
Die Gärtnerin genießt es auch, zusammen mit Kollegen durch die Wälder zu pirschen und mit Erlaubnis des Forstamts nach geeigneten Buchenschösslingen zu suchen. Es sind auch besondere Momente, wenn kostbare, altehrwürdige Bonsais von ihren neuen Besitzern abgeholt werden. Zum Glück ist es meist nur eine Trennung auf Zeit, denn die Szene ist gut vernetzt – Bonsaigärtner und ihre Bäume treffen sich immer irgendwo wieder.
Grün, kreativ, abwechslungsreich – mit seinen sieben Fachrichtungen ist der Beruf Gärtner so vielseitig wie kaum ein anderer – und bietet auch nach der Ausbildung zahlreiche Möglichkeiten, die Karriere voranzutreiben, sich weiterzubilden oder zu spezialisieren. Die Bandbreite reicht vom Besuch der Meisterschule über die Fortbildung zum Techniker bis zum Fachagrarwirt, beispielsweise für Greenkeeper oder für Baumpflege und Baumsanierung. Auch ein Gartenbau- oder Landschaftsarchitekturstudium ist möglich – mit entsprechend Berufserfahrung sogar ohne Fachhochschulreife.