Den Geschichten der Großeltern sollte man stets mit größter Aufmerksamkeit lauschen. Welcher Erfahrungsschatz sich da verbirgt! Selbst in den kleinsten Details. So wie es auch bei der Geschichte des Liebesperlenstrauchs ist.
Charles T. Bryson offensichtlich ist ein besonders aufmerksamer Enkel gewesen, denn er erinnerte sich viele Jahre später sogar an das Hausmittelchen, mit dem sein Großvater einst sein Pferd vor lästigen Bremsen schützte: Er hatte einfach Blätter des Amerikanischen Liebesperlenstrauchs (Callicarpa americana) auf dem Fell der Stute zerrieben.
Im Jahr 2006, Charles T. Bryson ist mittlerweile Botaniker an der Universität Mississippi, geht er dem Geheimrezept auf den Grund und analysiert die Inhaltsstoffe von Callicarpa americana. Und tatsächlich: Gleich drei Substanzen entpuppen sich als Repellents gegen lästige Stechinsekten. Eine davon, das Callicarpenal, haben die Forscher mittlerweile zum Patent angemeldet. Es soll Grundlage für ein biologisches Insektenschutzmittel sein, das auch uns Menschen in Zukunft Mücken, Bremsen und Zecken vom Leibe hält.
Ob das Callicarpenal in brauchbarer Konzentration auch in den asiatischen Arten des Liebesperlenstrauchs auftritt, ist indes leider noch nicht erwiesen. Die aus China bzw. Japan stammenden Callicarpa bodinieri bzw. Callicarpa dichotoma sind nämlich diejenigen, die in unseren Breiten als Ziersträucher gepflanzt werden.
Etwa 1,5 bis 2,5 Meter breit und hoch, mit recht sparrigem Wuchs und eher unauffälliger Blüte, wirken sie erst einmal unscheinbar. Bis sie ab Oktober so richtig durchstarten: Das strahlend klare Violett ihrer Früchte sucht im Pflanzenreich seinesgleichen!
Die eindrucksvolle Gartenschönheit „Liebesperle“ im Herbst
In dichten Büscheln drängeln sich die Liebesperlen am Strauch und wirken im Grünbraun des Spätherbstes zuweilen wie angemalt. Also nichts für den Naturgarten? Aber doch! Die von Juni bis August erscheinenden Blüten werden auffallend gerne von Bienen und Hummeln besucht.
Und immer mehr Vögel entdecken die Scheinbeeren für sich. Beäugten sie die ungewohnte Fruchtfarbe früher noch misstrauisch, kommen Drosseln und Meisen zunehmend auf den Geschmack. Und weitere Vögel lernen von ihnen!
Wer weiß also, wie schnell die hübschen Sträucher in Zukunft geplündert sein werden. Legen Sie sich daher lieber schon bald eine Schönfrucht zu. Oder am besten gleich mehrere, denn eine Kombination aus verschiedenen Sorten wie ‘Profusion’ (die Sorte mit dem stärksten Fruchtansatz) und ‘Issai’ sorgt für bessere Befruchtung und noch mehr Scheinbeeren-Glanz.
Ein sonniger, möglichst auch windgeschützter Standort sollte es dafür sein, mit gut durchlässigem Boden, der dennoch nie austrocknet. Schnittmaßnahmen sind nicht nötig. In jungen Jahren schätzen die Pflanzen aber einen leichten Winterschutz aus Laub oder lockerem, reifem Kompost.
Etablierte Exemplare sind dann deutlich widerstandsfähiger, und selbst wenn sie in ganz harten Wintern einmal zurückfrieren sollten, treiben sie willig wieder aus. Die Scheinbeeren bilden sich am zweijährigen Holz. Den Strauch also am besten nicht zurückschneiden.
In der Literatur wird der Strauch häufig als Solist empfohlen, als Blickfänger auf der Rasenfläche etwa oder im Kübel auf der Terrasse. Doch sollte dabei bedacht werden, dass der Liebesperlenstrauch ein echter Spätzünder sein kann, der zuweilen erst Ende Mai austreibt.
Auch später im Jahr stehen etwas verspieltere Begleiter seinem recht steifen Wuchs gut zu Gesicht. Gräser, Herbst-Anemonen oder Silberkerzen zum Beispiel, die sich keck um seine Zweige schmiegen. Zudem entzündet sich ein wahres Feuerwerk, wenn man ihm andere späte Farbenträger zur Seite stellt. Die herrlich herbstgelbe Zaubernuss etwa oder den Geschlitzten Blut-Fächerahorn ‘Dissectum Garnet’.
Übrigens: Selbst wenn sich in Ihrem Garten besonders fortschrittliche Vögel tummeln, die bereits auf den Geschmack gekommen sind … Auf die extravagante Perlenzier brauchen Sie dennoch nicht zu verzichten! Geschützt in der Vase daheim leuchten die lila Liebesperlen nämlich mindestens ebenso prächtig wie draußen.
Kerstin Ackermann