Ein wenig unfair für die Zierquitte ist es ja. Mit großen Augen sehnen wir den Flor der Forsythie herbei, unseres Frühlingsboten par excellence. Und voller Stolz blicken wir auf den Rhododendron, der sich trotz seiner so besonderen Bodenansprüche prächtig entwickelt hat. Schließlich haben wir ihn nach allen Regeln der Kunst verwöhnt.
Die Zierquitte aber, dieses als so anspruchslos geltende Wildobst, bleibt währenddessen weitgehend unbeachtet. Dabei ist sie gar nicht zu übersehen mit ihren bis zu fünf Zentimeter großen, weithin leuchtenden Blütenschalen, die, ganz im Gegensatz zu denen der Forsythie, übrigens auch Bienen und Hummeln begeistern. Wie kann das sein?
Vielleicht ist es wie in einer gut eingespielten Beziehung: Irgendwann ist der andere allzu selbstverständlich da. Die Zierquitte, eigentlich aus Japan (Chaenomeles japonica) beziehungsweise China (C. speciosa) stammend, gedeiht nun schon seit dem frühesten 19. Jahrhundert in unseren Gärten … wirklich Zeit also, mal frischen Wind in unser Verhältnis zu bringen!
Beziehungsberater empfehlen dazu gerne das Anlegen einer Positiv-Negativ-Liste. Schnell gemacht! Eindeutig positiv: überreiche Blüte in Rot, Rosé oder Weiß im März/April, wertvolle Bienentracht. Ab September leuchtend gelbe, vitaminreiche Früchte, aus denen sich allerhand Köstlichkeiten bereiten lassen. Ausgesprochen frosthart (also eine tolle Kübelpflanze) und überaus schnittfest (also perfekt als Hecke). Eher negativ: recht sparriger Wuchs – und manchmal halt doch ein wenig zickig. Oder sagen wir: anspruchsvoll. Nun gilt es, die Negativpunkte zu entkräften – und schon sollte die Liebe neu entflammen.
Nehmen wir als Beispiel ‘Elly Mossel’, eine 1,5 Meter hohe, besonders großblütige Sorte mit fulminanter Fernwirkung. Im Hintergrund des Staudenbeetes ist sie perfekt platziert, denn hier sorgt sie bereits für einen Knaller, wenn die Stauden im Vordergrund noch müde aus dem Boden gucken.
Und später dann, wenn alles sprießt und gedeiht, revanchieren sich die Vorderen, indem sie den ziemlich sparrigen Wuchs des Sträuchleins kaschieren. So kann die Zierquitte nun den Sommer über ungestört (und vielleicht auch einmal zu Recht unbeachtet) vor sich hin grünen und neue Energie sammeln, die sie in ihre im Herbst reifenden Früchtchen steckt.
Der Platz im Staudenbeet ist auch deshalb gut gewählt, weil die Zierquitte – entgegen der weitverbreiteten Annahme – guten, nährstoffreichen Boden und viel Sonne sehr zu schätzen weiß.
Manch einer unterstellt ihr gar ähnlich hohe Ansprüche, wie ihre edlen Schwestern, die Rosen, sie hegen. Das heißt also: Bitte ordentlich füttern, indem Sie ihr während der „Grünphase“ im Sommer reichlich Kompost zu Füßen legen. Und das gleich von Beginn an, denn sie ist nicht die Schnellste. Besonders auf Sandböden braucht sie mitunter lange, ehe sie aus dem Knick kommt.
Für Sandgärtner gilt außerdem: Pflanzen Sie eine Sorte, die laut Etikett etwa 50 Zentimeter höher wird, als Sie es sich wünschen. Die reale Größe sollte sich dann ideal mit Ihren Vorstellungen decken. Ohnehin ist dank des reichen Sortenfundus, der aus beiden Wildarten hervorgegangen ist, zwischen einem und drei Metern Wuchshöhe alles realisierbar.
Auch kompakt buschig wachsende Varianten sind darunter und ein paar wenige Dornenlose. ‘Cido’ zum Beispiel, die wertvollste Fruchtsorte, deren Quitten sich also besonders leicht ernten lassen, um in Gelee, Bonbons oder Likör verwandelt zu werden. Sollte die Beziehungsarbeit ihr Herz also noch nicht erwärmt haben: Liebe geht bekanntlich auch durch den Magen …
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‘Carl Ramcke’ und all die anderen Chaenomeles x superba-Züchtungen sind viel zurückhaltender als ihre wilden Elternarten. Im Gegensatz zu diesen bilden sie, wenn überhaupt, nur sehr wenige Ausläufer, die nie lästig werden. So kann die Zierquitte auch als hübscher Solitärstrauch absolut überzeugen.
Besonders interessant sind Zierquitten in Stämmchenform. Eigentlich sind Zierquitten wegen ihrer starken Verzweigung nicht die erste Wahl, wenn’s ans Stäben geht. Immer und immer wieder müssen Seitentriebe ausgemerzt werden. Doch die Mühe lohnt sich!
Zierquitten lassen sich hervorragend als lockeres Wandspalier ziehen. Denn wie anderes Kernobst auch blüht die Zierquitte am mehrjährigen (insbesondere am dreijährigen) Holz. Dadurch blüht und fruchtet das Spalier auch in seinem Inneren, während Steinobst nur an der jungen, einjährigen Peripherie des Spaliers trägt.
Die Scheinquitte braucht also nicht unbedingt geschnitten zu werden, ein Auslichten der fünfjährigen und älteren Triebe ist im mehrjährigen Turnus aber empfehlenswert, auch bei strauchförmig wachsenden Pflanzen. Bitte unmittelbar nach der Blüte schneiden, wenn nötig noch einmal im Juni leicht stutzen. Zierquitten brauchen ein Rankgerüst und müssen regelmäßig angebunden werden. Eine dornenlose Sorte wie ‘Cido’ ist daher auch als Spalier empfehlenswert!
Wegen ihrer Vitamin-C-reichen Früchte wurde schon manche Pflanze zur „Zitrone des Nordens“ gekürt. Der Sanddorn etwa, selbst die Kartoffel. Nach Duft und Geschmack aber trifft das Prädikat nur auf eine wirklich zu: die Scheinquitte ‘Cido’.
Zwar bieten, außer den gefülltblühenden, alle Zierquittensorten reichen, essbaren Fruchtbesatz. Doch ‘Cido’-Quitten überzeugen durch einen besonders hohen Vitamin-C-Gehalt: über 100 mg pro 100 g Fruchtfleisch (die Zitrone liefert etwa halb so viel). Allerdings sind die Zierquitten nicht roh genießbar, sondern sollten wie die echten Quitten verarbeitet werden.
Wegen ihres hohen Pektingehaltes eignen sie sich zum Beispiel hervorragend zum Gelieren. Verwenden Sie nur bitte etwas mehr Zucker, als in Rezepten für die echte Quitte angegeben ist, denn Zierquitten sind ausgesprochen sauer.
Pro ‘Cido’-Pflanze ist mit einem Ertrag von 2–5 kg zu rechnen. Wer eine kleine Plantage anlegen möchte, pflanzt im Abstand von etwa 2 x 1 m auf Lücke. Dabei möglichst mehrere Sorten setzen, denn die Zierquitte ist zwar selbstfruchtbar, doch erhöht eine fremde Befruchtersorte den Ertrag. Die vielen Früchte sind bei etwa 2–3 °C dann übrigens bis zu vier Monate lagerfähig.
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Zierquitten werden gerne als Hecken gepflanzt. Sie bilden nicht nur sehr dichte, sondern dank ihrer Blüten auch sehr attraktive Begrenzungen.
Für eine undurchdringliche Blütenhecke pflanzt man zwei Zierquitten pro laufendem Meter. Auf dem Foto ist es die besonders dicht verzweigte Wildart C. speciosa.
Kerstin Ackermann