Meine früheste Erinnerung an den Ehrenpreis rührt aus Kindertagen und ist untrennbar mit den Gänseblümchen in der Wiese verknüpft. Aus den beiden zierlichen Schönheiten haben wir als Kinder Blütenkränze geflochten. Jener hübsche Faden-Ehrenpreis, Veronica filiformis, ist durchaus nicht so wohlgelitten, das weiß ich heute. Der ausbreitungsfreudige Einwanderer aus dem Kaukasus und Kleinasien erobert mit Kriechsprossen, die sich an den Knoten bewurzeln, große Flächen.
Später dann faszinierte mich der Große Ehrenpreis, Veronica teucrium, oder genauer: seine Sorte ‘Knallblau’, die ihrem Namen mehr als alle Ehre macht. Mit dem Blut-Storchschnabel als Verbündetem feierte er Farb-Orgien in meinem Garten. Schon bei Karl Foerster hatte ich gelesen: „Der Ehrenpreis entfaltet sein bezauberndes Blau auch an trockenen Plätzen.“ Er muss wohl die von ihm schon 1950 in den Handel gebrachte Sorte, seine ‘Knallblau’, vor Augen gehabt haben, als er diesen Satz für die Nachwelt notierte.
Und außerdem kannte er das Potenzial der heute so populären Riesen der Sippe noch nicht: Der beliebte Kandelaber-Ehrenpreis, Veronicastrum, geriet erst nach seiner Zeit ins Visier der Staudenzüchter. Mit Wuchshöhen von mehr als einem Meter sind so beliebte Sorten wie ‘Fascination’ und ‘Lavendelturm’ in einer Rabatte mit Großstauden ein wahrer Blickfang. Wer allerdings Karl Foersters Aussage an ihnen prüft, erleidet Schiffbruch: Trockene Plätze sagen ihnen gar nicht zu. Und sie bezaubern auch mit anderen Farben: Violett, Rosa und Weiß.
Der Ehrenpreis ist in der Tat eine vielseitige Staudengattung, mit Arten und Sorten für prachtvolle Staudenrabatten, aber auch für sonnige Steingärten. Es gibt elegante Riesen und niedliche Zwerge, alle von sehr unterschiedlichen Naturstandorten stammend. Im trockenen Steingarten mit viel Sonne fühlen sich die kleinen, oft polsterbildenden Arten sehr wohl. Im Gegensatz dazu benötigen die hohen, im Sommer blühenden Arten deutlich mehr Feuchte.
Neben dem schon erwähnten Kandelaber-Ehrenpreis, Veronicastrum, ist der Langblättrige Ehrenpreis, Veronica longifolia, eine wirklich charmante Beetstaude und Schnittblume. Er bleibt niedriger, wird 60 bis 90 cm hoch, je nach Sorte. Neben den beiden bekanntesten, ‘Blauriesin’ und ‘Schneeriesin’ sind die eleganten, schlanken Blütenkerzen von ‘Pink Damask’ oder ‘Dark Maetje’ ein wunderschöner Kontrast zu den runden Blüten von Goldgarbe oder Mädchenauge. Schade nur, dass jüngst in der Staudensichtung gerade Veronica longifolia und ihren Sorten nur eine mäßige Vitalität bescheinigt werden konnte. Es lohnt sich vielleicht doch, künftig der kleinsten bei den hohen Arten etwas Aufmerksamkeit zu schenken: dem Ährigen Ehrenpreis, Veronica spicata. Die Staudenzüchter haben sich ihr längst zugewandt.
Von den Bergwiesen Anatoliens und des Kaukasus kam der Enzian-Ehrenpreis, Veronica gentianoides, in unsere Gärten. In den 1980er Jahren gab es eine hübsche, hellblau blühende Sorte ‘Maihimmel’. Sie galt lange als verschollen. Erst vor ein paar Jahren fand man sie wieder: bei einer vogtländischen Gärtnerin. Der Enzian-Ehrenpreis gehört zu den kleinen, trockenheitsverträglichen Arten, die vorzugsweise im Steingarten oder im Vordergrund sonniger Rabatten und Kiesbeete wachsen.
Die Kleinen blühen meist schon im Mai, und sie lieben Trockenheit, vor allem im Winter. Wie ein blaues Band fassen sie eine sonnige Rabatte ein, schwingen sich über Minifelsen im Kiesgarten. Veronica prostrata, der Niederliegende Ehrenpreis, bildet flache Polster und wuchert nicht. ‘Silberteppich’ heißt die außergewöhnliche Sorte von Veronica spicata. Sie hat schönes Silberlaub, und könnte auf kleinen Flächen die Alternative zum sehr ausbreitungsfreudigen Silberwoll-Ziest sein.
Autorin: Elke Pirsch