Zehn Jahre ist es etwa her, dass die Schwieterings zu einem Urlaub nach Belgien aufbrachen. Das hübsche Städtchen Brügge wollten sie sich anschauen.
Doch den mittelalterlichen Charme der Stadt dürfte Elisabeth Schwietering nur noch am Rande wahrgenommen haben – viel zu berauscht war sie bereits von ihrem Feriendomizil. Es war der Beginn einer großen Leidenschaft, denn die Urlaubsunterkunft der Familie lag auf dem Grundstück von Maurice Vergote, dem berühmten belgischen Gärtner.
Breite, sanft geschwungene, nach allen Seiten offene Rabatten zogen sich hier übers Anwesen, überquellend von bunten, teils übermannshohen Sommerstauden. „Das will ich auch!“, stand für die berufstätige Mutter zweier Kinder sofort fest.
Die Bedingungen waren günstig: Von ihrem 5000 m2 großen Heimatgrund war bisher bloß das vordere Drittel als Garten gestaltet. Der große Rest dahinter: alte Schweinewiese mit Fußballtoren und Trampolin.
Um diese zernarbte Rasenfläche also in üppige Staudenpracht zu verwandeln, ging Elisabeth Schwietering bei ihrem Meister „in die Lehre“.
Der damals bereits 75-Jährige konnte Hilfe gut gebrauchen, und so verbrachte die noch unerfahrene Gartenenthusiastin die Herbstferien der kommenden sechs Jahre bei Maurice Vergote.
Diese ungewöhnliche Idee und der große Einsatz haben sich gelohnt. Es war eine lehrreiche Zeit und die Grundlage für einen beeindruckenden Staudengarten.
Hier lernte sie, Stecklinge zu nehmen, Stauden zu pflanzen, Beete zu komponieren. Für ihre Arbeit wurde sie in Naturalien bezahlt: Bereits nach dem ersten Einsatz war sie um 600 Stauden reicher!
Phloxe, Indianernesseln und Scheinsonnenhüte waren darunter, und noch viele andere Stauden wie Wasserdost, Malven und Katzenminzen.
Diese erste Fuhre hatte Maurice Vergote wohlweislich nur in den Farben Weiß, Violett und Rosé gehalten, damit bei der Farbgestaltung nichts schiefgehen konnte. Und so pflanzte Elisabeth Schwietering ihren Lohn nur nach späterer Wuchshöhe gestaffelt in die neuen, frei über das Gelände mäandernden, 4,5 m breiten Beete: Deren eine Seite wurde auf 50 cm Wuchshöhe gehalten, auf der anderen sollten die Pflanzen später zwei Meter hoch in den Himmel wachsen. Und so kam es auch.
Besucher jedoch waren irritiert: Eine zwei Meter hohe Staudenwand mitten im Garten? „Du musst den Leuten zeigen, dass das die Rückseite des Beetes ist“, riet Maurice Vergote, der bald zu Besuch kam. „Pflanz hier Bäume!“ Und so markieren Reihen von Weidenblättrigen Birnen heute die „Rückseiten“ der Beete.
Auch auf die Farbgestaltung der Rabatten nahm der Gärtner weiter Einfluss. Erst nach Jahren schenkte er Elisabeth Schwietering gelbe Stauden wie Sonnenbraut, Goldrute oder Stauden-Sonnenblume. „Tuffs aus jeweils drei gelben Pflanzen setzt du nun in deine pastellfarbenen Beete“, so sein Rat. An diesem Farbkonzept hat sich seither nichts verändert.
Nur der vordere, ältere Gartenbereich bekam ein neues Gesicht: Weiß sollte hier jetzt dominieren – als ruhiger Gegenpol zum „kribbeligen Bunt“ der Spätsommerpracht.
Um diese so üppig und gesund zu halten, arbeitet Elisabeth Schwietering täglich drei bis sechs Stunden im Garten, schneidet aus, mäht die Rasenwege.
Bis Weihnachten blüht hier immer irgendwas, und so geht der Sohn erst im Februar mit dem Freischneider über die Beete: Alles, was kein Gehölz ist, wird radikal bis zum Boden gekappt.
Die Mutter folgt mit dem Rechen und sucht dabei penibel das Unkraut aus dem Boden. „Unkraut, das man im Februar sucht, hat man in diesem Jahr nicht mehr. Unkraut, das man im August sucht (nach der Samenreife), kommt immer wieder“, so ihr Leitspruch, den, wen wundert’s, Maurice Vergote prägte.
Nach dem Jäten wird Kompost vom Kompostwerk geordert, in rauen Mengen. „Drei Finger dick verteile ich den Naturdünger bis Ostern um alle Stauden, das verbessert den Boden deutlich. Selbst Phlox bleibt so mehltaufrei! Außerdem unterdrückt der Kompost keimendes Unkraut, und auch Staudenausläufer werden reduziert. Dass die Stauden nicht zu dicht ineinanderwachsen, ist ebenfalls wichtig für ihre Gesundheit“, verrät die mittlerweile erfahrene Gartenbesitzerin. „Den Phlox etwa habe ich mit einem halben Meter Abstand zu den Nachbarpflanzen gesetzt.“
Maurice Vergote, der ihr all das vermittelte, hat seinen eigenen Garten mittlerweile abgegeben. Dass er in Elisabeth Schwietering längst eine würdige Nachfolgerin gefunden hat, verraten die Kommentare begeisterter Gäste. Immer wieder fragen erfahrene Gartenreisende: „Kannten Sie eigentlich den Garten von Maurice Vergote? Er hätte Ihnen so gut gefallen!“
Autorin: Kerstin Ackermann