Dieser Ort ist immer eine Reise wert, denn Schätze finden sich nicht nur am Grund des Meeres, sondern manchmal auch an dessen Küste: die Staudengärtnerei in Klütz zum Beispiel. Versteckt in einem uralten Städtchen am Ende einer malerischen Sackgasse, wartet sie darauf, entdeckt zu werden.
Das ist ja mal eine „Dienst“-Reise! Schon die Anfahrt zur Staudengärtnerei von Wismar aus, immer schön am Meer entlang, schmeckt viel mehr nach Urlaub als nach Arbeit.
Und dann erst das Ziel: In der ältesten Straße des verwunschenen Städtchens Klütz wallt uns hinter einem schmiedeeisernen Tor die gesammelte Staudenpracht des Spätsommers entgegen, in mannshohen Horsten, in allen erdenklichen Farben.
Wer aufgeräumte Alutische mit gängigen 9er-Töpfen samt einheitlichen Stecketiketten erwartete ist hier fehl am Platz. Hier taucht man ein in die Pflanzenfülle, berauscht sich an Farben und Düften, die die üppig bepflanzten Beete, auf denen es von Stauden und auch Einjährigen nur so wimmelt, zur Genüge spendieren.
Der Pflanzenverkauf scheint fast Nebensache zu sein. Und trotzdem taucht aus diesem Blütenmeer kaum jemand ohne „Andenken“ wieder auf – denn natürlich gibt es sie doch, die praktischen Plastikpflanztöpfe. Hier allerdings ausgesprochen ansehnlich arrangiert in Körben, Weinkisten und ausrangierten Dachrinnen, versehen mit liebevoll handgeschriebenen Schildchen.
Die Preise für die unterschiedlich großen Töpfe werden individuell festgelegt. Und nach Hause trägt der frohe Kunde seine Beute nicht in Plastiktüten, sondern in umweltfreundlichen Pappkartons, die im nahe gelegenen Lidl-Markt zuhauf anfallen.
Hier geht es unkonventionell, manchmal ein bisschen provisorisch zu – dafür aber mit Herzblut.
Man merkt, dass Besitzerin Julia Schmoldt sich einen Lebenstraum erfüllte, als sie 2002 die damals bereits 156 Jahre alte, denkmalgeschützte Hofanlage übernahm, um ihre Staudengärtnerei zu eröffnen. Schwanger, mit ihrem Sohn im Bauch, machte sie gemeinsam mit ihrem Mann und vielen freiwilligen Helfern das verwilderte Gelände urbar.
Von den überall wuchernden Eschen steht heute nur noch eine, die einer kleinen Sitzgruppe im Zentrum der Gärtnerei angenehmen Schatten spendet. Hier berät die gelernte Zierpflanzengärtnerin ihre Kunden über all die gut 600 Staudenarten und -sorten, die bei ihr zu haben sind.
„Mit Rosen zum Beispiel kenne ich mich aber nicht so gut aus, da schicke ich die Besucher lieber zu einer spezialisierten Rosenschule.“ Julia Schmoldt möchte ihren Gästen keine Lehrbuchweisheiten mitgeben, sondern die Erfahrung aus vielen Jahren praktischer Arbeit.
So berichtet sie schneckengeplagten Gartenbesitzern, welche Pflanzen sich als unattraktiv für die Schleimer bewährt haben, darunter Eibisch (Althaea), Blaue Lobelie (Lobelia siphilitica), Indigolupine (Baptisia), Knautie (Knautia) und Ehrenpreis (Veronica).
Anderen erklärt sie, wie sich die Blütezeit der Sonnenbraut (Helenium) verlängern lässt: „Einen Teil der Pflanzen schneide ich im Juni um die Hälfte zurück, einen anderen um ein Drittel, einen weiteren Teil lasse ich ungeschoren weiterwachsen.
Die gestutzten Pflanzen blühen später als die ungeschnittenen – so erhält man eine gestaffelte Blüte über einen sehr langen Zeitraum. Ein weiteres Plus: Die Gestutzten verzweigen sich besser, bilden dadurch noch mehr Blüten und bleiben kompakter. Das funkioniert übrigens auch bei Astern, Malven und Phlox.“
Und sie fügt gleich hinzu: „Die Größenangaben der Pflanzen in den Lehrbüchern kann man eigentlich knicken. Durch das beschriebene Stutzen bleiben die Stauden zum Beispiel viel kleiner. Andererseits lässt ein guter Boden sie oft in ungeahnte Höhen schießen.“
Und ihr Tipp gegen Unkraut? „Die Beete dicht zuwachsen lassen! Das sieht ja auch am schönsten aus. Manche Kunden vermissen aber die nackte Erde zwischen den Pflanzen. Deshalb haben wir für sie ein spezielles Beet angelegt … Das bei uns allerdings unter der Bezeichnung Chaosbeet läuft – das ständige Hacken hier macht unheimlich viel Arbeit!“
Und davon gibt es in der Gärtnerei ja ohnehin genug: Etwa 80 % der angebotenen Pflanzenarten vermehrt Julia Schmoldt selbst, unterstützt nur von wenigen helfenden Händen.
Um die Pflanzen sortenrein zu erhalten, wird meist vegetativ vermehrt, also durch Stecklinge oder Teilung.
„Der Eibisch (Althaea) zum Beispiel lässt sich aber sortenrein aus Samen ziehen. Und die Wiesenraute (Thalictrum) erhalte ich auch aus Samen. Das ist zwar heikel, gelingt aber noch am ehesten.“
Und wenn sich die Pflanzen ganz von alleine vervielfältigen? „Wo Lerchensporn und Moschus-Malve ein freies Plätzchen finden, dürfen sie meist bleiben. Die Leute mögen es, wenn es nicht allzu aufgeräumt ist … dann müssen sie kein schlechtes Gewissen haben, dass bei ihnen auch nicht alles tipptopp ist“, erklärt Julia Schmoldt schmunzelnd.
Ohnehin sind ihre Kunden meist sehr entspannt: „Die wunderschöne, sehr dunkle Storchschnabel-Sorte ‘Dark Reiter’ zum Beispiel wächst unheimlich langsam. Zufällig kreuzte sie sich mit dem Wiesen-Storchschnabel.
Das Ergebnis war eine „Eigenkreation“, nicht ganz so dunkel zwar, dafür aber schnellwüchsig. Und da meine Kunden selten auf eine ganz bestimmte Sorte dringen, geht das Eigengewächs weg wie warme Semmeln.“
Schon viele Touristen, die auf dem Heimweg hier vorbeischauten, hatten Probleme, ihre gesammelten Einkäufe noch ins Auto zu bekommen. „Manch einer fragte schon, ob er seinen Koffer hier lassen könne. Oder die Kinder“, erinnert sich Julia Schmoldt lachend – bevor auch wir uns wieder in das plötzlich sehr viel kleinere Auto quetschen müssen. Dienstreise schon vorbei. Schade!
Was so ein 3000-Seelen-Örtchen alles zu bieten hat! Neben der Klützer Blumenkateempfehlen wir Ihnen dies:
Die Windmühle Klütz aus dem Jahr 1902 gehört zu dem interessanten Typ „Galerieholländer“ (wegen der umlaufenden Galerie). Sie wird heute als Ausflugsgaststätte betrieben mit atemberaubendem Blick über die Felder bis hin zur Ostsee.
Schloss Bothmer ist die größte barocke Schlossanlage Mecklenburg-Vorpommerns. Sie wurde um 1730 erbaut, diente oft als Filmkulisse, heute befindet sich hier ein Museum. Der Park kann kostenfrei besichtigt werden. Darin zum Beispiel zu sehen: die Festonallee, ein einzigartiges Gartendenkmal.
Autorin: Kerstin Ackermann