Gemeinschaftliches Vergnügen - der Lichtenberger Stadtgarten

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Großstadtparadies „Lichtenberger Stadtgarten“

Von GartenFlora

„Wie sieht eigentlich dein Garten aus?“ Die Frage stellten mir meine Kollegen immer wieder. Gärtner sind nun mal neugierig, und wir GartenFlora-Redakteure erst recht. Ich habe keinen Garten für mich allein, ich teile ihn mir mit elf anderen. Ein kleines Großstadtparadies: Den Lichtenberger Stadtgarten.

Lichtenberger Stadtgarten: Gartenparadies für 11 Gärtner

Die Fragezeichen in den Augen meiner Kollegen sind deutlich zu sehen: Einen Garten teilen? Ja, das geht. Wir mögen es, gemeinsam zu gärtnern, und wir haben alle schon unsere Erfahrungen gesammelt, im elterlichen Garten, auf dem Balkon oder in einem Schrebergarten.

Doch haben wir wenig Zeit oder Geld, um einen eigenen Garten zu bewirtschaften. Zugegeben, für einen Gemeinschaftsgarten muss man geschaffen sein. Damit das Miteinander funktioniert, reden wir viel, stimmen uns über Anbauplanung, Gießdienst und Grillfeste ab. Nichts für Individualisten!

Fototermin im Lichtenberger Stadtgarten

Und das musste ja dann so kommen: GartenFlora-Fototermin im „Lichtenberger Stadtgarten“. Und wir sind gerade mal zu zweit! Das sieht noch nicht nach Gemeinschaftsgärtnern aus! Ich habe mir freigenommen für den Termin.

Justin, der Webdesigner, hat es bei sonnigem Wetter nicht länger vor dem Computer ausgehalten. Die anderen stoßen erst nach Feierabend dazu. Bevor wir uns an die Arbeit machen, folgen Justin und ich unserem Ritual: Wir drehen eine Runde durch den Garten und schauen nach Gemüse, das wir später ernten können, und nach Arbeiten, die heute erledigt werden müssen.

Eine Baustelle haben wir schon entdeckt: Die „Drei Schwestern“ brauchen Hilfe. Das ist eine Mischkultur aus Stangenbohnen, Mais und Kürbis, die schon seit Tausenden von Jahren in Nord- und Zentralamerika angebaut wird.

Die Stangenbohnen reichern den Boden mit Stickstoff an. Der Mais wird zur Rankhilfe für die Bohnen. Und der Kürbis bedeckt mit seinen großen Blättern den Boden und unterdrückt so das Unkraut. Auch der Boden bleibt länger feucht.

Aber jetzt haben die Stangenbohnen die Maispflanzen, an denen sie hochgeklettert sind, umgerissen.

Und die Kamera des Fotografen hat ihr erstes Motiv gefunden: Mais wieder aufrichten und an Bambusstangen befestigen. Endlich kommt Verstärkung auf dem Fahrrad: Ronny ist Grafikdesigner und studiert nebenher Ökologischen Landbau.

Aus seinem Studium bringt er viele Ideen in den Garten mit. Er schnappt sich einen Eimer und hat offenbar einen Plan. Schon sitzt er im Klarapfelbaum: „Ich will einen Apfelkuchen backen. Und Elisabeth braucht Äpfel für Apfelsaft. Wollt Ihr auch welche?“

Aber sicher! Elisabeth kennt sich mit Obst und Gemüse aus und darin, wie man seine Ernte haltbar machen kann. Sie studiert Permakultur-Design und hat sich viele Jahre auf einem Hof in der Uckermark selbst versorgt.

Bald sollen Dutzende Klaräpfel entsaftet werden, gleich hier im Garten über dem Holzfeuer. Ich bin schon gespannt auf den ersten Schluck Stadtgarten-Apfelsaft!

Garten mit Gemeinschaft
Gemeinschaftliches Vergnügen – der Lichtenberger Stadtgarten

Lichtenberger Stadtgarten: Gemeinsam anpacken und gärtnern

Schön ist, dass wir Arbeiten gemeinsam anpacken können, die wir nicht so mögen, wie Unkraut jäten. „Ich kann dabei prima entspannen. Ständig machen muss ich das deshalb aber nicht.“ Katharina lächelt und schultert die Hacke.

Sie ist Innovationsökonomin. 2011 hat sie den Garten mit Justin als Experiment gegründet. Und seitdem viele Mitstreiter gewonnen. Auch Uta, die jetzt mit ihren beiden Hunden Uzi und Alma auftaucht. Uta hat Ressourcenmanagement mit Schwerpunkt Wasser studiert und ist viel im Ausland unterwegs.

Wenn sie in Berlin ist, treffen wir uns hier. Sie mag jede Art von Gartenarbeit, auch Unkrautjäten! Also holt sie sich eine Hacke aus dem Schuppen und eilt Katharina zu Hilfe. Ja, ja, es klingt schon wie ein Klischee. Frauen zupfen das Unkraut und Männer die groben Arbeiten wie Umgraben und Holzhacken.

Heute kann es uns recht sein, denn wir wollen noch grillen. Also sägen Ronny und Christian Holz. Für Christian der richtige Job: Er ist Waldpädagoge. Doch beim Feuerholzhacken bleibt es nicht. Die beiden richten hinter dem Schuppen eine Wand aus Feuerholz auf und legen dabei für spätere Projekte das gutes Bauholz beiseite.

Während sich die Männer also ums Holz kümmern, ernten Elisabeth und ich Gemüse für alle. Salat und Radieschen, Zucchini, Kräuter und Tomaten kommen in unsere Erntekörbe. Dabei fallen uns braune Flecken auf den Tomatenblättern auf. Braunfäule!

Das hat Vorrang vor dem Ernten: Ersteinmal schneiden wir die braunfaulen Blätter und Früchte sorgfältig heraus. Einen Teil der Ernte wollen wir nachher gemeinsam im Garten essen.

In unserer kleinen, aber feinen Gartenküche grillen wir die Zucchini und mischen uns einen Salat, den man frischer nicht bekommt. Dazu gibt’s geröstetes Brot und eine Flasche Bier oder ein Glas Wein.

Es gelingt nicht immer, dass alle zur gleichen Zeit im Garten sind. Heute konnte sich Fumi nicht freimachen. Sie hätte gern etwas über Sojabohnen und Edamame, ein Gericht aus grünen Sojabohnen, erzählt.

Fumi ist Anthropologin und kommt aus Japan. Sie studiert in Berlin Europäische Kultur und hat als Hausarbeit einen Film über unseren Selbstversorger-Gemeinschaftsgarten eingereicht!

Regina kümmert sich heute um ihren Enkel und lässt sich entschuldigen. Sie ist unsere Kompost-Expertin, dank jahrzehntelanger Kleingartenerfahrung.

Lichtenberger Stadtgarten e.V.: Ein Lernort im Grünen

Das Wissen über Kompost und ökologisches Gärtnern, über bekannte und seltene Gemüsearten, über Permakultur und Organisation eines Gemeinschaftsgartens tauschen wir nicht nur untereinander aus.

Gern geben wir es auch an Besucher und andere Stadtgärtner weiter. Wir sind ein Lernort im Grünen, der von unserem gemeinnützigen Verein „Lichtenberger Stadtgarten e.V.“ getragen wird. Wenn Sie neugierig geworden sind, besuchen Sie uns doch auf www.stadtgarten.org

Natalie Faßmann

Praxistipp: Wie findet man einen Garten in der Stadt?

Freie Gärten in Berlin sind rar. Auf der Warteliste der Berliner Kleingärtner stehen rund 10.000 Namen. Da lohnt es sich, in der alternativen Gartenszene nachzuschauen. Die bietet verschiedene Möglichkeiten des Mitgärtnerns, vom eigenen Hochbeet auf dem Tempelhofer Feld (Allmende-Kontor), einem Beet in einem Interkulturellen Garten bis zum Hinterhofgarten in der Nachbarschaft.

In den städtischen Gärten geht es nicht nur um den Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern, sondern auch um Gemeinsamkeit, Gedankenaustausch und das Miteinanderteilen. Auch in anderen Städten regt sich die Urbane Gartenkultur.