Mit gutem Werkzeug geht die Gartenarbeit nicht nur gut von der Hand, sie wird zum sinnlichen Vergnügen. Schön, dass es so etwas noch gibt. Aber wo kommt es überhaupt her?
Auf die Frage, welches ihr liebstes Gartengerät sei, hatte die englische Gartenlady eine so prompte wie verblüffende Antwort: „Meine alte Pflanzhacke, ohne die gehe ich gar nicht erst in den Garten.“ Das blieb hängen. Der denkwürdige Satz fiel mir wieder ein, als ich im Gartencenter das Holzdisplay mit den etwas martialisch anmutenden, aber unwiderstehlich nostalgischen Spaten, Gabeln und eben Hacken aus geschmiedetem Stahl sah.
Wie gebannt blieb ich stehen, drehte dieses und jenes Werkzeug unentschlossen in den Händen – mein Gerätehaus war schließlich schon ganz gut gefüllt – und nahm am Ende das kleine Pflanzhäckchen mit. Nicht etwa, um es an der Schuppenwand dekorativ in Szene zu setzen, wo schon eine uralte Sense, die Sichel und der genietete Spaten aus Uropas Nachlass zum Wegträumen in die gute alte Zeit auffordern.
Meine Buchshecke war den Fressattacken des Buchsbaumzünslers letzten Endes doch erlegen und sollte durch zahlreiche kleine Kriechspindeln ersetzt werden. Austopfen, auslegen, die Hacke nehmen und – wow: Das Pflanzen war die reinste Lust, und Tempo ist wirklich keine Hexerei. Wenn man gutes Werkzeug hat.
Nach der Aktion stand für mich fest: Dieses Häckchen ist jeden Euro wert. Man ahnt schon, wie die Geschichte weitergeht: Aus gleicher Quelle kamen weitere Lieblingsstücke dazu, ein solider Kantenstecher, der unentbehrliche Handgrubber, ein stabiles Messer zum Teilen von Stauden, ein Unkrautjäter.
Handgeschmiedet jedes einzelne Stück, eindeutig keine Massenware. Krumpholz, Werkzeugfabrikation seit 1799 steht auf dem Eschenstiel. Das klingt gediegen, klingt nach Schmiedefeuer, Ruß und Hitze. Im 21. Jahrhundert gibt es das noch?
Gibt es, und klar, für die Gartenredaktion könne man eine Ausnahme machen, wir dürfen gern kommen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie die Werkzeuge, die man nicht mehr aus der Hand geben möchte, entstehen. Also auf nach Grafengehaig tief im Frankenwald.
Den Guttenberger Hammer gibt es bereits seit dem Mittelalter. Einst war er im Besitz der Adelsfamilie von und zu Guttenberg, die Jagdwaffen, Äxte und Kriegsgerät herstellen ließ. Als die fränkischen Eisenerzvorkommen erschöpft waren, wurde es still um die Schmiede – bis sie 1799 Johann David Krumpholz, ein Vorfahr der heutigen Besitzer, erwarb.
Statt Waffen entstanden jetzt Pflugschare, Wagenachsen und Beile unter dem Schmiedehammer. Das alles ist über zweihundert Jahre her. In einem Anflug von Nostalgie hoffe ich während der Anfahrt über eine nicht enden wollende Forststraße, es möge noch ein wenig vom historischen Ambiente erhalten sein. Die Landschaft ist indessen immer beschaulicher, fast menschenleer geworden. Die Hinweisschilder am Weg bestätigen, wir sind richtig.
Schließlich sind wir im Tal angekommen, wo großer und kleiner Rehbach zusammenfließen, einen Stausee speisen, der seit eh und je die Energie für den Betrieb des Guttenberger Hammers liefert. Ob wir angemeldet seien, fragt sofort ein spitzbübisch schauender, rußgeschwärzter Geselle, der sich für eine Zigarettenpause auf den Hof verzogen hat.
Als wir uns legitimieren, wird er zugänglicher: Mitunter kommen Neugierige auf den Hof gefahren, alle Hinweise ignorierend. Aber Hofverkauf gibt es hier nicht, und die Schmiede darf man auch nicht betreten, viel zu großes Risiko. Hagen Mund grinst breit, zeigt mit der Hand Richtung Juniorchef und verschwindet im Dunkel der Schmiede. Wenig später sind wir mit Claus Georg Krumpholz, dem Chef in spe, auf dem gleichen Weg, nicht ohne zuvor einige Sicherheitshinweise zu erhalten.
Ziemlich verschachtelt sehen die Gebäude aus, und die Augen müssen sich erst an das schummerige Licht gewöhnen. Während wir ein Labyrinth aus Vorräumen, im Laufe der Zeit immer wieder nach Bedarf angebaut, passieren, schwillt Lärm zu einem höllischen Spektakel an. Man hört die eigene Stimme nicht mehr.
Und dann gelangen wir in das kräftige Herz der Schmiede: rotglühende Eisen, stiebende Funken, ein massiger Schmied, der mit Bedacht Hammerschläge setzt. Die Bilder sind atemberaubend, die Geräusche ohrenbetäubend. Von einem Moment zum anderen fühle ich mich um zweihundert Jahre in der Zeit zurückversetzt, das Milieu ist genau so, wie ich es mir wünschte, aber für völlig unrealistisch hielt.
„Hier hat sich in den letzten zweihundert Jahren tatsächlich nicht viel verändert, auch die Abläufe sind wie früher geblieben. Wir sind ein traditionelles Unternehmen“, bestätigt Claus Georg Krumpholz, der für das Handwerk brennt und schon als Kind in die Schmiede ausbüxte, wann immer er Gelegenheit fand.
Das über Generationen weitergegebene Wissen ist bei ihm und den zwölf Mitarbeitern gut aufgehoben. Einige von ihnen sind bereits über zwanzig Jahre im Betrieb. Das spricht für ein gutes Betriebsklima. Und vielleicht auch von der Befriedigung, die man empfindet, wenn man zu den Eingeweihten zählt. Wenn man mit eigenen Händen Dinge herstellt, die begehrt sind und die wertgeschätzt werden.
Gartengeräte sind in der Produktpalette von Krumpholz eine relativ junge Entwicklung. Ein Grundsortiment, wie Sauzahn, Axt und Standardspaten gehörten immer zum Programm, doch Senior Georg Krumpholz produzierte in den 1980er Jahren vor allem Werkzeuge für den Bau und die Forstwirtschaft.
Damals überschwemmten gerade Billigimporte aus Osteuropa und Fernost den Markt. Die Schaufeln hielten zwar nicht lange, dem Guttenberger Hammer jedoch brachten sie fast das Aus. Doch der Durchhaltewille war stark. Sohn Claus stellte nicht lange nach der Jahrtausendwende die Weichen neu: Er entdeckte den „Grünen Markt“.
Drei Generationen arbeiten jetzt Hand in Hand – so ist es seit Urväter Zeiten. Firmeninhaber Claus Krumpholz mit Ehefrau Elke, Vater Georg (auf dem Foto rechts) und Sohn Claus Georg. Er wird eines Tages das Unternehmen in achter Generation führen. Ausbildung in der Schmiede, Studium der Werkstoffwissenschaften, der Betriebswirtschaft, es ist alles auf dem Weg.
Solider Standard, kleine Serien, aber auch Sonderanfertigungen, die ihren Preis haben, gehören zum Programm. Vor zwei Jahren wurde das Unternehmen in den Kreis der „Marken des Jahrhunderts“ aufgenommen, eine Initiative von „Deutsche Standards“, die verdienstvolle und verantwortungsbewusst geführte Unternehmen der deutschen Wirtschaft würdigt.
Und hatte genau den richtigen Riecher. Gutes Werkzeug galt plötzlich wieder etwas, Geiz war nicht mehr geil. Ganz allmählich wuchs das Sortiment. Als Muster dienten oft alte, längst nicht mehr produzierte Gartengeräte, die Kunden mitbrachten und gerne 1:1 nachgebaut haben wollten.
Doch auch jüngere Entwicklungen, wie die Spork, ein Werkzeug, das die Vorteile von Spaten (Spade) und Grabegabel (Fork) in sich vereinigt, oder die Gartendisk, die sich prima zum Entfernen von Moos und Unkraut aus Fugen und Ritzen eignet, fanden Eingang.
80 Prozent der Produkte werden heute für Garten und Forstwirtschaft produziert. Die Nachfrage steigt weiter, man könnte ausbauen. Erste Pläne gibt es, doch man will nicht um jeden Preis wachsen. Die traditionelle Arbeitsweise soll beibehalten werden.
Und dann gibt es noch eine schöne Vision, die keine bleiben muss: Häufig fragen mittlerweile begeisterte Kunden, Gartenreisende oder gar Klassenlehrer an, ob sie die Schmiede besichtigen dürfen. Dürfen sie leider nicht, vor allem aus Gründen der Sicherheit.
Doch die Idee von der „Gläsernen Manufaktur“ ist längst geboren. Einen Anbau soll es einmal geben, der Besuchern von außen den Blick auf die Schmiedeöfen und die Produktionsstätten erlaubt. Wir kommen ganz bestimmt wieder!
Elke Pirsch