Die muss ich auch haben! Dachte ich vor Jahrzehnten, als ich bei einem Sammler zum ersten Mal Waldlilien (Trillium) sah. Zu der Zeit waren sie im Osten Deutschlands kaum beschaffbar. Was sollte ich tun?
Der Zufall kam zu Hilfe: Vom Botanischen Garten Potsdam erhielt ich ein Dutzend braune Samenkörnchen, Trillium spec. stand auf der Tüte. Und dann? Na, ja, ich säte sie aus, und acht Jahre später blühten die ersten Waldlilien in unserem Garten, mit roten, langzipfligen Blüten. Das war der Grundstock zu meinen roten Trillium. Ein Kenner schrieb den Satz: „Ideal ist es, als junger Mensch mit dem Sammeln von Trillium zu beginnen. Schwieriger ist es für die Pflanzenfreunde, die zwar noch nicht alt sind, bei denen es aber schon lange her ist, dass sie jung waren. Sie sollten lieber dort zuschlagen, wo sie die Gelegenheit zum Kauf vollwertiger Pflanzen finden.“
Ich war jung, und ich hatte Zeit. Vollwertige Pflanzen zum Kauf gab es nicht. In Kleinarbeit baute ich meine Trillium-Bestände selbst auf. Längst ziehen die vielen roten Blüten in unserem Garten im April die Blicke aller Besucher auf sich. Von “noch nie gesehen“ bis „die muss ich unbedingt haben“ reichen die Kommentare. Fachleute rätseln noch immer über die botanische Zugehörigkeit meines Typs: Trillium sessile, Trillium chloropetalum oder Trillium kurabayaschii?
Mir ist’s, ehrlich gesagt, ziemlich egal. Gesund, wüchsig, gut vermehrbar müssen sie sein! Nun ja, mit dem Vermehren hapert es. Als ich im vorigen Jahr einige meiner mittlerweile blühreifen Sämlinge eintopfen wollte, fand ich das Aussaatetikett: 10. 8. 2004! Also waren acht Jahre ins Land gegangen. Wählt man, wie ich, das Vermehren über Samen, müssen zunächst reife Körner geerntet werden. Gar oft aber tragen Wespen die Samen aus den fleischigen Kapseln noch vor der Vollreife weg. Nach der Aussaat dauert es zwei Jahre, bis sich das erste Blatt zeigt und weitere sechs Jahre bis zur Blühfähigkeit. Zeiträume, von denen niemand etwas ahnt, der die auffälligen roten Blüten der getopften Pflanzen in unserem Garten sieht.
Das Teilen von Trillium ist nicht ergiebig. Die Mutterpflanzen wachsen erst mehrere Jahre, bis sich Jungpflanzen gebildet haben, die man abtrennen kann. Üppig ist die Vermehrungsrate nicht gerade. Da wird der hohe Preis verständlich. Und auch der Grund, weshalb Waldlilien selten in Gärten sind. Wen aber die Trillium- Leidenschaft packt, den schreckt bald der Preis nicht mehr, und er beginnt, sich für weitere Arten zu interessieren. Da kommt das gelbe Trillium luteum in Betracht, dann Trillium cuneatum mit krötenähnlich brauner Blattzeichnung und matt rotbraunen Blüten sowie das prächtige weiße Trillium grandiflorum, das gelegentlich sogar rosafarben und gefüllt angeboten wird. Der begeisterte Einsteiger beginnt am besten mit der roten Waldlilie, nennen wir sie Trillium sessile.
Sie ist eine gutwillige Anfängerpflanze. Am besten ist es, wenn er im April eine getopfte, blühfähige Pflanze erwerben kann. Macht er alles weitere richtig, dann zieht sie spätestens im August ihre Blätter ein, und alles ist in Ordnung. Nun nur noch die Stelle markieren, um die Ruhe der Pflanze bis zum nächsten Frühjahr nicht zu stören. Im Spätsommer/Herbst oder gar im Foliebeutel gekaufte Trillium haben nur eine geringe Überlebenschance. Ausreichende Winterhärte, ihrer nordamerikanischen Herkunft entsprechend, haben sie jedoch. Tatsächlich habe ich in vielen Jahrzehnten kaum Winterschäden an meinen Waldlilien erlebt. Probleme gibt es nur, wenn Anfang April ein Spätfrost unter –5°C auf eine früh austreibende Art wie Trillium cuneatum trifft. Sonstige Schädlinge und Krankheiten? Fehlanzeige. Gar nicht so schwer, das Trillium-Abitur.
Dr. Konrad Näser
Untrennbar ist sein Name mit der bekannten Gärtnerei „Karl Foerster“ in Potsdam-Bornim verbunden. Als Züchtungsleiter trat Dr. Konrad Näser nach Foersters Tod im Jahre 1970 in dessen Fußstapfen. Mehr über den Karl-Foerster-Garten erfahren Sie im PotsdamWiki.
Welcher Name stimmt nun: Waldlilie, Dreiblatt oder Dreizipfellilie? Alles ist richtig, aber echte Lilien sind Trillium nicht. Sie haben ihre eigene Pflanzenfamilie, nämlich die der Trilliaceae. Zu der gehört außer Trillium noch die giftige Einbeere (Paris). Waldlilien jedoch sind nicht giftig. Alles an ihnen ist der Dreizahl untergeordnet: drei Blütenblätter, drei Kelchblätter, drei Laubblätter und bei älteren Pflanzen sogar drei Blütenstängel – ein Kuriosum der Natur. Und sie haben keine Zwiebeln, wie es sich für echte Lilien geziemt, sondern unterirdische Knollen, die langsam rhizomartig weiterwachsen, und an denen sich die Tochterknollen bilden.
Der Standort soll kühl, schattig und nicht knochentrocken sein.
Humus als Oberschicht, lehmige Bestandteile im Untergrund sind vorteilhaft.
Der pH-Wert liegt bestenfalls im schwach sauren bis neutralen Bereich, Kalk ist unerwunscht.
Optimale Ernährung bedeutet: Mulchschicht aus halbverrottetem Laub, Hornspane im November(!) und April, schwache Flussigdungung nach der Blute. Bitte nicht stören, nicht graben, nicht hacken. Nicht willkommen sind wuchernde Nachbarpflanzen.
Waldlilien sind freiheitsliebend. Der Schatten kann von etwas entfernt stehenden Laubbäumen und Sträuchern kommen. Die unmittelbaren Begleiter könnten ähnlich kostbare Kleinode sein: Leberblümchen (Hepatica), Hundszahnlilie (Erythronium), Feenglöckchen (Disporum), Herzblattschale (Jeffersonia), schwachwüchsige Purpurglöckchen (Heuchera), kleine Farne (Adiantum, Asplenium, Phyllitis, Blechnum, Polypodium).