Seit etwa 20 Jahren hat sich die Botanische Kunst zu einem eigenständigen zeitgenössischen Genre entwickelt – mit Künstler*innen, die bewusst an weit in die Kunstgeschichte zurückreichende Traditionen anknüpfen, sich aber auch im Momentum gegenwärtiger ökologischer Fragen verorten lassen.
Die Botanische Kunst beschäftigt sich – wie der Name nahelegt – mit der künstlerischen Darstellung der Pflanzenwelt. „Wenn man die Pflanze gesehen hat und verstanden hat, kann man sie wiedergeben – in geschliffener Form. Das ist Botanische Kunst.“ So sagt es Sylvia Peter. Sie ist selbst Künstlerin, außerdem Galeristin in dem von ihr mitbegründeten Forum Botanische Kunst in Thüngersheim, Bayern.
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Mehr InformationenDer Anspruch der Botanischen Kunst, Pflanzen in ihrer Morphologie korrekt abzubilden, zeigt die nahe Verwandtschaft zu Botanischen Illustrationen für Forschungszwecke. Dennoch geht es nicht allein um die objektive Darstellung einer Pflanze, sondern vielmehr um die Auseinandersetzung der Künstlerin oder des Künstlers mit ihr: Einerseits ist diese facettenreiche Kunstform um Genauigkeit bemüht, auf der anderen Seite treffen die Zeichner*innen, die eine Pflanze abbilden – selbst für einen wissenschaftlichen Kontext –, ästhetische Entscheidungen. Tatsächlich ist die Botanische Kunst, wie sie heute verstanden wird, auch maßgeblich von der historischen Wechselwirkung zwischen Kunst und Wissenschaft geprägt. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit.
Detailgetreue Zeichnungen und Malereien von Pflanzen dienten im Europa des 16. Jahrhunderts vorrangig der Dokumentation, beispielsweise zur Bebilderung in Heilpflanzen- und Kräuterbüchern, oder um neu entdeckte Pflanzenarten auf Forschungsreisen zu katalogisieren. Hierbei war, um eindeutige Wiedererkennung zu gewährleisten, Genauigkeit gefragt. Jedes Charakteristikum einer Pflanze – etwa die Formen und Farben ihrer Blüten, die Struktur ihrer Stängel oder die Proportionen der Blätter – mussten sorgfältig wiedergegeben werden.
Die Botanische Kunst bewegte sich von Beginn an zwischen wissenschaftlicher Präzision und künstlerischem Ausdruck. Für wissenschaftliche Darstellungen war mitunter das handwerkliche Können von Künstlern und Künstlerinnen gefragt, gleichzeitig wuchs in der Kunst der Renaissance selbst ein Bestreben, Pflanzen möglichst realgetreu abzubilden.
Einige Namen werden gemeinhin als besonders einflussreich für die Botanische Kunst genannt. 1503 malte Albrecht Dürer sein berühmtes Aquarell Das große Rasenstück. Die realistische Naturstudie des Malers zeigt ein Stück Wiese, bestehend aus unterschiedlichen Gräsern und Wildkräutern, darunter etwa Löwenzahn, Wegerich und Schafgarbe.
Rund 40 Jahre später wurden im New Kreüterbuch des Mediziners und Botanikers Leonhard Fuchs insgesamt 511 Holzschnitte veröffentlicht, angefertigt von den Künstlern Albrecht Meyer, Heinrich Fullmaurer und Veit Rudolf Speckle. Die Darstellung einzelner Gewächse mitsamt ihrer Wurzeln vor einem neutralen Hintergrund avancierte zum neuen Standard.
Ebenfalls stilprägend wurden schließlich Anfang des 18. Jahrhunderts die Arbeiten der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian. In mehreren Illustrationen dokumentierte sie verschiedene Insekten im Zusammenspiel mit jenen Pflanzen, die ihnen als Lebensraum und Nahrung dienen.
Auch in der zeitgenössischen Botanischen Kunst stehen die genaue Beobachtung von Struktur, Farbe und Habitus einer Pflanze im Fokus. Den Kunstschaffenden dieses Genres geht es aber nicht ausschließlich darum, die Ästhetik, Schönheit und Vielfalt der Pflanzenwelt darzustellen, sondern auch darum, auf den Schutz seltener und gefährdeter Arten hinzuweisen und sie für die Nachwelt im Bild zu erhalten.
Seit rund 20 Jahren erlebt die Botanische Kunst vor allem im englischsprachigen Raum eine Renaissance: Es gibt eigens gegründete Gesellschaften, Galerien und Zeichenkurse, die sich nur mit der Darstellung von Pflanzen beschäftigen. Auch in Deutschland finden sich immer mehr Organisationen, die sich der Förderung Botanischer Künstler*innen verschrieben haben. Neben dem bereits oben erwähnten Forum Botanische Kunst gründete sich im Herbst 2022 etwa der gemeinnützige Verein Botanische Kunst Deutschland (VBKD). Sie wollen diese faszinierende und facettenreiche Kunstrichtung sowie deren Kunstschaffende bekannter machen.
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