In den Internationalen Gärten Göttingen wachsen heimische alte Kultursorten prächtig neben neuen Züchtungen; chinesische „Kohlpalmen“ neben bunten koreanischen Kürbissen. Das kann man auch symbolisch sehen, wenn man will. Hier bewirtschaften Flüchtlinge, Migranten und Deutsche gemeinsam die Böden, hier blühen nicht nur die Blumen, sondern auch die interkulturelle Zusammenarbeit. Das Gartenprojekt entstand 1996 auf Initiative zugewanderter Familien und gilt als erstes seiner Art.
Seit 1998 setzt sich der Verein Internationale Gärten Göttingen mit aktuell 60 Mitgliedern aus verschiedenen Ländern und Religionen gegen Ausgrenzung ein. Die Menschen begegnen sich im Grünen, bauen gemeinsam Gemüse, Kräuter und Obst an und bestellen eigene Gartengrundstücke. Viele Migranten können ihre eigenen Erfahrungen in Gartenwirtschaft und Handwerk einbringen und erleben in Nachbarschaftshilfe, Familienbetreuung und auf gemeinsamen Festen aktive gesellschaftliche Eingliederung.
Die gemeinsame Gartenarbeit bildet dafür die Grundlage, denn Gärtnern baut Brücken zwischen den Menschen. Durch das gemeinsame Bauen, Graben und Pflanzen überwinden sie Berührungsängste und Vorurteile und schaffen Zugehörigkeit. Die Gärten des Vereins bestehen sowohl aus Einzelparzellen sowie aus Gemeinschaftsflächen. Der gemeinschaftliche Garten im Stadtteil Geismar wird von der Kirche zur Verfügung gestellt und von rund 20 Mitgliedern bewirtschaftet. Daneben bauen Schul- und Kindergartengruppen auf einzelnen Parzellen Pflanzen an. Die Kinder einer Montessori-Schule etwa bepflanzten eine Kräuterspirale.
In dem zweiten Garten des Vereins, dem Friedensgarten Grone, sind aktuell 15 Parzellen bewirtschaftet. Hier ist noch reichlich Platz für mehr. Der Verein bemüht sich um eine ökologische Bewirtschaftung der Flächen, auf Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger sollen die Mitglieder verzichten: Das Säen, Ernten und Kompostieren ohne Chemie soll auch für Umweltthemen sensibilisieren.
Neben einem Gartenhäuschen und einem selbstgebauten Lehm-Backofen befinden sich in beiden Gemeinschaftsgärten außerdem Imkereien, in denen man das Handwerk erlernen kann. Für die Bienen gibt es in den bunten Gärten und bei den Blühpflanzen der Nachbarn genügend Nektar und Pollen. Den Honig vertreibt der Verein selbst, im Nachbarschaftszentrum Grone und über die Mitglieder. Der Erlös kommt den Imkereien selbst und der Ausstattung der Gärten zugute.
Auch mit vielerlei Veranstaltungen leben die Mitglieder der Internationalen Gärten aktiv Integration: So widmete sich etwa das Projekt „Blumen verbinden – Berufsorientierung für Frauen in Grone“ der Vielfalt der Blumenwelt hinsichtlich ihrer kulturellen Bedeutung.Auf rund 300 m² im Friedensgarten pflanzten und säten die Teilnehmerinnen aus dem Jemen, Afghanistan, Russland, Algerien, Iran und Polen verschiedene Arten von Stauden und Sommerblumen aus unterschiedlichen Regionen der Erde. Durch das gemeinsame Anlegen und Pflegen einer Gartenparzelle sammelten sie neue Kenntnisse im gärtnerischen Bereich und tauschten sich aus. Bis zum Ende des Sommers erblühte jede einzelne Blumenparzelle durch die besondere Mischung und Zusammenstellung der Pflanzen in exotischer Pracht.
Eine begleitende Veranstaltungsreihe vermittelte Grundlagen der Gartengestaltung und -planung. Die Frauen lernten, wie sich Blumen kreativ gestalten lassen und welche spezielle Verwendung Blüten und Kräuter in der Kosmetik Heilkunde und Ernährung finden. Daneben gab es Kreativ-Workshops zu Blumenbindekunst und Siebdruck sowie Seminarbeiträge zu Kräuterkunde, Rosenanbau und -handel.Für manche Teilnehmerinnen taten sich während des Projektes ganz neue berufliche Perspektiven auf. Denn ob in den heimischen Pflanzen oder im Laden um die Ecke: Wer im Garten- und Landschaftsbau seine Leidenschaft entdeckt, ist bei den Unternehmen gern gesehen. Liest man die Stellenanzeigen im Bereich Garten- und Landschaftsbau, wird hier nicht nur auf Erfahrungen mit gängiger Gartentechnik Wert gelegt, sondern vor allem auf die richtige Motivation und Einsatzbereitschaft.
Inzwischen sind nach dem Göttinger Vorbild zahlreiche interkulturelle Gärten entstanden. Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, eine Art Dachorganisation für städtische Gemeinschaftsgärten, koordiniert derzeit knapp 240 Interkulturelle Gärten bundesweit, berät bei der Projektentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit und gibt in Einzelfällen sogar finanzielle Starthilfe.
Seit einem Jahr entstehen Gartenprojekte auch zunehmend an Flüchtlingsunterkünften. Bereits seit 2011 besteht der Interkulturelle Garten Freiburg-Bissierstraße, der eine „gärtnerische Willkommenskultur“ aufbauen will. Dazu hat die Kooperative die Stadt Freiburg jüngst aufgefordert, weitere „Gärten an Flüchtlingsunterkünften, interkulturelle Gärten und überhaupt Gärten für alle zu schaffen“. Man kann nur hoffen, dass sich viele leidenschaftliche Gärtnerinnen und Gärtner diesem Ruf anschließen und noch viele solcher Projekte entstehen.