Kennen Sie diese emsige Biene? Sie ist 2019 zum Insekt des Jahres gekürt worden. Im Obstbau wird die Bestäuberleistung der Rostroten Mauerbienen kommerziell genutzt, denn am Tag können sie mehr als 2500 Blüten bestäuben. Jetzt gibt es sie auch für den Hausgarten.
Der weltweit dramatische Rückgang vieler Insektenarten ist uns bewusst und wir unterstützen sie daher im Garten mit ausreichend nektar- und pollenreichen Pflanzen, Lebensräumen sowie Nisthilfen als Kinderstube. Einige Unternehmen bieten mittlerweile sogar Nisthilfen mit Starterkulturen für Mauerbienen an. Ist das sinnvoll? Geht es nicht auch ohne? Lesen Sie unten mehr dazu im Interview mit Dr. Christian Schmid-Egger von der Deutschen Wildtier Stiftung (Projekt Bestäuberfreundliche Stadt, Berlin).
Ca. 20.000 Wildbienenarten gibt es weltweit, davon 9 Honigbienenarten
Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist ein sehr guter Bestäuber, denn sie sammelt den Pollen trocken in ihrer Bauchbürste. So gut wie jeder ihrer Blütenbesuche, 98 Prozent, führen zu einer Bestäubung. Dagegen müssen Honigbienen durchschnittlich fünf Apfelblüten anfliegen, um eine einzige zu bestäuben, denn sie transportieren den Pollen mit Nektar vermischt an den Beinen. Ein Weibchen der Rostroten Mauerbiene erbringt die Bestäubungsleistung von 80 bis 300 Honigbienen, daher sind sie im Erwerbsobstbau beliebte und fleißige Helfer.
Die Rostrote Mauerbiene ist ab Anfang April aktiv und ein idealer Bestäuber für spätes Steinobst, Kernobst und Erdbeeren. Sie gehört zu den am häufigsten vorkommenden Arten und ist extrem anpassungsfähig. Sie kommt im Norden vom kühlen Südschweden bis ins heiße Nordafrika vor. Die Männchen schlüpfen vor den Weibchen und müssen meist einige Tage geduldig warten, bis sich die ersten Weibchen zeigen. Die weiblichen Bienen entscheiden sich ganz bewusst für ein Männchen, welches sie begatten darf. Um die Weibchen für sich zu gewinnen, setzen die Männchen bei ihrem Balztanz manchmal Duftstoffe und ihre langen Fühler ein. Die Duftstoffe können auch Informationen zur regionalen Herkunft vermitteln. Die Paarung der Rostroten Mauerbienen dauert bis zu zwei Stunden. Danach sehen die beiden sich nicht wieder.
Im Anschluss beginnen die Weibchen der Rostroten Mauerbiene mit dem Brutgeschäft und sind bei der Suche nach ihren Kinderstuben so flexibel wie keine andere Bienenart. Sie nisten in Hohlräumen jeder Art: alte Bohrgänge im Holz, hohle Stängel, Ritzen, Löcher in Lehmwänden und Mauerwerk oder gar im Schlüsselloch vom Schuppen. Ein Weibchen braucht mehrere Stunden für den Bau einer Brutzelle mit Ei, gesammeltem Pollen-Nektar-Vorrat und Trennmäuerchen aus Lehm durchmischt mit Speichel.
In röhrenförmigen Hohlräumen mit einem Durchmesser von sechs bis neun Millimeter baut ein Weibchen insgesamt 20 bis 30 Brutzellen. Die Rostrote Mauerbiene kann das Geschlecht ihrer Nachfahren selbst bestimmen. Aus befruchteten Eiern werden Weibchen, aus unbefruchteten Eiern Männchen. Weil die kleineren Männchen zwei bis drei Tage vor den Weibchen schlüpfen, legen Mauerbienen die männlichen Eier in die vorderen Brutzellen. So vermeiden sie Stau beim Schlüpfen.
2000 Arten gibt es in Europa. Fast jede zehnte Wildbienenart ist vom Aussterben bedroht.
560 Arten leben in Deutschland, davon 1 Honigbienenart. Über die Hälfte der Wildbienenarten steht auf der roten Liste.
(Deutsche Wildtier Stiftung)
Ich halte den Versand von Starterkulturen der beiden Mauerbienen-Arten ökologisch für höchst problematisch. Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist in ganz Deutschland, die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) in Süddeutschland sehr weit verbreitet und häufig. Man muss daher keine Tiere einführen, sondern sollte die bereits vorhandenen Populationen vor allem mit Nisthilfen und blühenden Pflanzen im eigenen Garten unterstützen. Mit solchen Maßnahmen fördert man zudem viele andere Wildbienenarten, die teilweise deutlich seltener oder stärker gefährdet sind als die beiden Mauerbienenarten.
Auch Wildbienen werden von einer Reihe von Parasiten und Mikroorganismen befallen. Manche davon besitzen auch das Potenzial, Krankheiten auszulösen. Bei einem bundesweiten oder europaweiten Versand dieser Arten besteht die Gefahr, diese Krankheiten zu verschleppen und die Ursprungspopulationen dieser Bienen ganz ohne Not zu gefährden. Das Thema ist jedoch noch unzureichend erforscht. Auch daher sollte man aus dem Vorsorgeprinzip heraus auf den Versand dieser Bienen verzichten.
In der Regel kommen in einem Biotop etwa so viele Wildbienenindividuen vor, dass die Nistund Nahrungsressourcen gut für die Tiere ausreichen. Führt man biotopfremde Mauerbienen in großer Anzahl ein, erhöht man den Druck auf die bestehenden Populationen und bringt das meist sorgsam austarierte Gleichgewicht durcheinander. Zudem werden die importierten Mauerbienen auch außerhalb der gekauften Nisthilfe weitere und vor allem natürliche Nistmöglichkeiten belegen. Diese werden jedoch von später im Jahr fliegenden und deutlich selteneren Arten wie zum Beispiel Blattschneiderbienen benötigt. Somit besteht die Gefahr, dass man mit zugekauften Wildbienen den vorhandenen Wildbienenpopulationen sogar schadet und damit das Artensterben weiter fördert.
Michaela Kitschke
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