Das hohe Maß an Flächenversiegelung und der damit einhergehende Mangel versickerungsfähiger Flächen macht Städte anfällig für Überflutungen. Das Prinzip der Schwammstadt setzt genau hier an. Es handelt sich um ein Stadtplanungskonzept, das künftige Starkregenereignisse prognostizieren und Städte auf mögliche Gefahren durch Überschwemmungen vorbereiten möchte. Die Überlegungen gehen aber weiter und sehen auch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in urbanen Gebieten vor.
Von versiegeltem Boden ist die Rede, wenn Flächen weder Wasser-, noch Luftaustausch ermöglichen – also der Boden beispielsweise verdichtet, bebaut, mit Asphalt, Stein oder Beton bedeckt ist. Laut Umweltbundesamt sind deutschlandweit momentan circa 44 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt. Wachsende Städte lassen diese Zahl noch weiter steigen. Negative Auswirkungen der Versiegelung sind nicht nur Bodenunfruchtbarkeit, sondern vor allem auch, dass Niederschlagswasser erschwert oder gar nicht abfließen kann. Der natürliche Wasserkreislauf ist gestört. Der einzige Weg, der dem Wasser bleibt, ist meist die Kanalisation. Bei starkem, langanhaltendem Regen sind die Kanäle aber schnell überlastet. Fatale Überschwemmungen oder gar Sturzfluten sind die Folge. Die Schwammstadt soll Lösungen für diese Probleme bieten.
Wasser auf der Erde bewegt sich in einem ständigen Kreislauf. Durch Wärme und Sonnenlicht verdunstet es und steigt in die Atmosphäre auf. Die sich dort bildenden Wassertropfen kulminieren schließlich zu Wolken. Diese geben das Wasser irgendwann wieder als Regen ab, der dann wiederum im Boden versickert.
Das Konzept der Schwammstadt – im Englischen sponge city – stammt aus Skandinavien. Der Schwamm steht als Metapher für die lokale Speicherung des Wassers: Die Stadt soll sich „vollsaugen“ wie ein Schwamm. Das Stadtplanungskonzept umfasst aber nicht nur Maßnahmen, die die Resilienz von Großstädten gegenüber Überschwemmungen erhöhen sollen, sondern auch solche, die die Verbesserung des Stadtklimas und die Ausweitung von Grünflächen im Blick haben.
Zu den typischen Maßnahmen der Schwammstadt zählen beispielsweise:
Um die Versickerungsrate zu erhöhen, können neben Grünflächen auch angelegte Mulden dienen, die beispielsweise entlang von Verkehrswegen geschaffen werden. Auch an der Entwicklung alternativer Bodenbeläge wird geforscht: Statt undurchlässigem Beton oder Asphalt kommen etwa Pflastersteine mit großzügigen Zwischenräumen infrage. Dem Auffangen und Sammeln von Niederschlagswasser können Sammelbehälter dienen, aber auch neu angelegte Feuchtgebiete oder Teichflächen. Während oberirdische Wasserspeicher die Verdunstung erhöhen und das Mikroklima verbessern, bieten unterirdische Becken die Möglichkeit, Wasserreserven für Trockenzeiten zu sammeln. Pflanzen in der Stadt tragen außerdem zur Erhaltung des natürlichen Wasserkreislaufs bei, denn über ihr Wurzelsystem nehmen sie Wasser auf, welches über ihre Blätter wieder verdunstet. Besonders effektiv in dieser Hinsicht sind große Bäume, aber auch Dach- und vertikale Fassadenbegrünungen. Wird an der Umsetzung einer Schwammstadt gearbeitet, hat dies also gleichsam Vorteile für die Flora der Stadt. Denn damit Straßenbäume viel Wasser aufnehmen können, muss ihrem Wurzelbereich zunächst genügend Raum zur Verfügung stehen – ein Aspekt, der momentan vielen Bäumen fehlt. Für Gehölze unlebenswerte und verdichtete Baumscheiben sollen künftig etwa durch lockere Schotterbette ersetzt werden.
Viele Stadtkonzepte, die sich an den Prinzipien der Schwammstadt orientieren, planen auch intelligente Steuerungssysteme (ähnlich zu Smart Gardening). So ließen sich beispielsweise Wettervoraussagen einbeziehen, die das Leeren der Wasserspeicher vor angekündigten Starkregenereignissen automatisch einleiten.
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Das Konzept der Schwammstadt kann einen Beitrag dazu leisten, den Wasserkreislauf wiederherzustellen, und wappnet Städte vor den Gefahren künftiger Starkregenereignisse. Doch noch ein weiterer wichtiger Punkt kommt zum Tragen: Die meisten Großstädte werden im Sommer zu regelrechten Hitzekesseln. Die Temperatur in der Stadt liegt in vielen Fällen einige Grad Celsius über der Temperatur des Umlandes – nachts nehmen diese Differenzen noch zu. Geplante Begrünungsmaßnahmen in Schwammstädten setzen hier an. Mehr Pflanzen sorgen für eine höhere Luftfeuchtigkeit, was wiederum einen kühlenden Effekt hat. Aber auch die Wirkung der Bäume als Schattenspender ist hier zu nennen. Nicht zuletzt erhöht mehr Grün natürlich auch die Lebensqualität – von Mensch und Tier gleichermaßen! Die Biodiversität nimmt somit zu. Zudem können drohende Wasserknappheiten entschärft werden, da Regenwasser in der Schwammstadt nicht mehr ungenutzt abfließen würde, sondern effektiv aufgefangen und genutzt werden soll.
Anwendungsbeispiele für Schwammstädte beziehungsweise Ansätze davon finden sich inzwischen zahlreich: Stockholm, Kopenhagen, Wien, aber auch Peking oder das nordchinesische Harbin verwirklichen entsprechende Maßnahmen. In Deutschland gelten vor allem Berlin und Hamburg als Vorreiter im Umsetzen des Konzepts. Während man in Hamburg vor allem auf Dachbegrünung setzt, sind für Berlin unter anderem auch künstliche Gewässer, Wasserspeicher und Versickerungsmulden geplant.
Zahlreiche Klimaforscher*innen gehen von der Annahme aus, dass steigende Temperaturen das Aufkommen von Extremwettererscheinungen wahrscheinlicher machen. Zwar können sie nur schwerlich nachweisen, ob einzelne Wetterphänomene wie Gewitter, Sturmböen oder Starkregen tatsächlich Folge des Klimawandels sind; die Häufung jener Phänomene lässt aber darauf schließen. Schwammstädte sind dabei aber nur eine von vielen nötigen Maßnahmen, die den Auswirkungen der Klimakrise entgegenwirken – vor allem aber potenzielle durch Hochwasser entstehende Schäden minimieren – sollen.
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