Eigenes Gemüse in der Stadt anzubauen, liegt im Trend. Wem ein Kleingarten jedoch zu spießig ist, oder wer das nicht ganz legale Guerilla Gardening scheut, der probiert es vielleicht mit einem gepachteten Stückchen Land am Rand einer Großstadt. Zwei dieser Mietgärten haben wir im Berliner Umfeld besucht.
Urban Gardening, ein neuer Trend? Nicht ganz , denn Großstädter haben schon immer so genanntes Grabeland genutzt, um Gemüse, Kräuter, Erdbeeren und ein paar Blümchen für die Vase zu ziehen. Was früher zur schnöden Ernährung der Stadtbevölkerung in schlechten Zeiten diente, ist heute ein hippes Hobby vor allem für Gartenneulinge.
Mittlerweile lässt sich in beinahe jeder deutschen Großstadt eine Parzelle pachten. Sie sind meist zwischen 25 und 85 Quadratmeter groß, haben weder Zaun noch Laube. Lediglich ein gemeinsam genutzter Schuppen für Werkzeug und ein Wasseranschluss stehen zur Verfügung. Einige Dutzend Stadtgärtner teilen sich auf diese Weise einen kleinen Acker.
Im späten Frühjahr werden die vom Verpächter bepflanzten Parzellen übergeben. Frühe Gemüsearten wie Salat sind dann schon fast erntereif. Erbsen, Zucchini oder Zuckermais dürfen die Pächter noch einige Wochen bis zur Ernte beim Wachsen zusehen. Und bis zum Herbst reifen so nach und nach immer neue Gemüsearten!
Ein Freitagnachmittag in Berlin-Rudow, am südlichen Stadtrand. Flirrende Augusthitze liegt über dem kleinen Feld, das in kleine Gemüsegärtchen zum Mieten mit 45 Quadratmetern Grundfläche aufgeteilt ist.
Zur besten Erntezeit wachsen auf diesen, ca. zwei Meter breiten Beeten Erbsen, Gurken, Kürbisse, Mais, Mangold, Dill, gelbe und grüne Zucchini um die Wette.
Lärmende Spatzen bedienen sich an den Samenkapseln überreifer Radieschen. Idylle pur! Da erscheint die Skyline der Berliner Gropiusstadt jaaanz weit weg. Die Parzellen tragen lustige Namen wie „Ernte 23“, „Ponderosa“ oder „Little Paradise“. Mit uns treffen die ersten Mieter ein. Was ist seit dem letzten Besuch reif geworden? Müssen wir wirklich schon wieder Unkraut zupfen?
Mit Heike und Klaus-Dieter Hust komme ich sofort ins Gespräch. Sie gärtnern hier schon im dritten und vielleicht letzten Jahr. Nicht, weil sie die Lust verloren hätten – ganz im Gegenteil: Demnächst soll ein eigener Garten her. Die beiden haben viel gelernt, sind begeisterte und versierte Gemüsegärtner geworden, haben aber auch so manchen Misserfolg einstecken müssen.
Etwas später treffe ich Robin Spaetling. Er ist begeistert vom Gärtnern. „Das macht einen Riesenspaß, und man weiß immer, wie Kohl und Co. gewachsen sind und dass sie nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden“.
Mittlerweile hat er mit Freunden und Bekannten einen eigenen Gemeinschaftsgarten gegründet. An Nachfrage bei „meine ernte“ mangelt es trotzdem nicht. Die Mietgärten sind schnell wieder vergeben. Und tatsächlich: Es gibt mitunter sogar Wartelisten.
Großziethen bei Berlin: Hier treffen wir auf viele Gartenfreunde, die zum Freitagabend noch das Gemüse fürs Abendessen oder gleich für das ganze Wochenende ernten. Was sofort auffällt, ist die Form der sogenannten Bauerngärten. Sie sind rund. Erst auf den zweiten Blick wird klar: Die einzelnen Parzellen laufen zur Mitte der Beete spitz zu – wie Kuchenstücke.
Was von oben wie große Kornkreise aussieht, macht durchaus Sinn, denn jedes Gemüserondell wird mit einem Kreisregner in der Mitte bewässert. Zu gießen braucht hier also niemand. Wer möchte, erntet nur und zupft gelegentlich ein Wildkraut, damit Radies und Petersilie nicht völlig überwuchert werden.
Selbst Jungpflanzen oder Saatgut, je nach Saison unterschiedliche Arten und Sorten, werden gestellt. Die Lückenfüller sind im Preis von 230 Euro pro 23,5 Quadratmeter-Parzelle enthalten. Wer selbst Samen oder Pflanzen mitbringen möchte, muss zertifizierte Bio-Ware kaufen, denn: „Hier wird rein biologisch gegärtnert. Den Bioland-Standard lasse ich jährlich unabhängig prüfen“, lässt uns der junge Agraringenieur und Biobauer wissen, den alle nur Max rufen.
So sollen keine konventionell herangezogenen Pflanzen oder Samen verwendet werden. Nur dann genügt jeder Kohlrabi, jede Kartoffel allerhöchsten Ansprüchen. „Schmeckt ja auch viel besser!“ Katharina Schorsch aus Berlin ist begeistert und gärtnert mittlerweile im zweiten Jahr. Auch manch anderer ist fasziniert davon zu sehen, wie Gemüse wächst.
„Ich wusste vorher nicht, wie Kohlrabi oder Porree als ganze Pflanze aussehen,“ gesteht Daniela Schwarz, die zusammen mit ihrem Partner Vinzenco Toscano gerade Lücken bepflanzt. Heute mit Gemüsefenchel. „Den haben wir erst hier für uns entdeckt, ganz prima im Rohkostsalat!“ Die beiden haben sich entschieden, bald zwei Parzellen zu mieten, vielleicht mit Freunden „ … oder wir konservieren einfach, was zu viel ist“.
Bauerngärtnerin Julia Beck aus Berlin-Kreuzberg: „Wir waren durchweg begeistert, auch davon, dass wir uns nicht ums Gießen kümmern mussten und immer gut beraten wurden.“ Bald will sie und Freundin Hanna in einem eigenen Kleingarten Obst, Blumen und Gemüse anbauen. Interessenten für die freigewordene Fläche hat Max genug.