Kartoffeln auszusäen ist nicht die übliche Methode, um Kartoffeln anzubauen. Gartenflora-Redakteur Achim Werner hat es ausprobiert und war gespannt, was dabei herauskommt.
Kann man die essen? Zweifelnd zeigte Luca auf grüne, runde Früchte, die an einer Kartoffelpflanze hingen. Sie sind giftig, sagte ich, aber man könnte die Samen darin aussäen. Nun schaute mein Sohn noch skeptischer: „Ich dachte, bei Kartoffeln werden die Knollen in die Erde gesteckt!?“ Kartoffeln aussäen? Das war ungewöhnlich.
Recht hat er, aber wäre das Aussäen nicht auch mal spannend? Allzu groß wird die erste Ernte wohl nicht sein, vielleicht eine Handvoll pro Pflanze, dachte ich. Und vielleicht entsteht dabei eine ganz tolle, neue Sorte. „Weißt du was,“ sagte ich dann, „wir probieren das aus!“ Gesagt, getan.
Zunächst ernteten wir also die Früchte, die sich an einer Pflanze der Sorte ‘Rote Emmalie’ gebildet hatten und entfernten die ziemlich kleinen Kerne. Über Winter kühl und trocken aufbewahrt, wurden die Körnchen dann gegen Ende Februar auf der Fensterbank ausgesät.
Auch bei mir schlichen sich leichte Zweifel ein, ob die mickrigen sechs Sämlinge jemals Knollen tragen würden. Eine Extraportion Wachstumslicht aus einer Pflanzenleuchte ließ sie dann aber doch etwas kräftiger sprießen. Und dann immer wieder der Spott meines Sohnes: „Da sollen mal Kartoffeln dran wachsen?“
Nach weiteren Wochen unter Kunstlicht und nach einem Gewächshausaufenthalt, hatten sich ganz manierliche Jungpflanzen entwickelt. Die kräftigsten vier Pflanzen fanden schließlich Mitte Mai ihren Platz im Beet. Fortan blieben sie zwar ein wenig schwächer im Wuchs als normale Kartoffeln, unterschieden sich aber sonst kaum noch wesentlich.
Nach dem Aussäen der Kartoffeln welkte im August eine der Kartoffelpflanzen und zeigte so das Reifen der Knollen an. Mit Spannung hoben wir den ersten der Schätze: schöne, rotschalige und rotfleischige Kartoffeln, ganz wie die Mutter. Allein die Erntemenge, etwa 60 g, nicht pro Knolle (insgesamt!) passte ziemlich gut zu meiner Prognose – ein Händchen voll.
Aber immerhin drei bis vier Pflanzkartöffelchen in Haselnussgröße konnten wir fürs kommende Jahr einlagern. Dafür wurde unser Kühlschrank auf zwei Grad eingestellt. So blieben sie in Ruhestellung, ohne Keime zu bilden. Dass gleichzeitig die Butter über Monate steinhart blieb … Forscherdrang verlangt eben auch Opfer!
Im September schließlich starb das Laub der anderen drei Exemplare ab, und wir begannen unseren zweiten Erntegang. Überraschung! Da fand sich doch tatsächlich eine beachtliche Menge Knollen an jeder Pflanze. Die ertragreichste (800 g) tat sich durch eine recht ausgefallene, bratwurstähnliche Form hervor. An zwei anderen wuchsen 450 bzw. 650 Gramm Kartoffeln.
Gegen Ende April, der Boden hatte die erforderlichen zwölf Grad erreicht, wurden die überwinterten Knollen im exakt gleichen Abstand von 40 mal 60 Zentimeter ausgepflanzt und nach Lehrbuch kultiviert. Im Spätsommer des folgenden Jahres ging es endlich an die Ernte! Jetzt konnten unsere neuen Sorten zeigen, was an ihnen oder vielmehr, was im Boden steckte.
Die ungewöhnliche Bratwurstform der Sorte eins hatte sich leider verloren. Aber, abgesehen von der kleinen Erntemenge von der rotfleischigen Sorte vier, waren die Erträge ganz passabel.
Und das Aroma? Zwar schmeckte keine besser als die Muttersorte ‘Rote Emmalie’, aber Sorte drei konnte zumindest mit ähnlich gutem Geschmack und cremiger Konsistenz punkten. Wir werden zwar keine weiterkultivieren, aber vielleicht säen wir bald wieder etwas aus. Die hübsche blutrote Schmuckdahlie im Vorgarten beispielsweise hat schon Samen angesetzt.
Achim Werner