Die zierliche Vogelmiere reiht sich ein in die Liste von wildwachsenden Pflanzen, die wirklich ganz und gar zu Unrecht als reines Unkraut betitelt werden. Außerdem beweist sie, dass es manchmal erst recht die Kleinsten und Unscheinbarsten sind, die uns mit ihren Fähigkeiten und Verwendungsmöglichkeiten ins Staunen versetzen. Wir verraten Ihnen, was alles in diesem kleinen Pflänzchen schlummert.
Die Vogelmiere ist beinahe in der ganzen Welt zuhause – in den gemäßigten Breiten findet man sie im Flachland ebenso wie auf Gebirgshängen und an halbschattigen wie sonnigen Standorten. Das Wildkraut lässt sich auf Schuttflächen, an Wegesrändern oder Kulturlandschaften nieder, besiedelt aber auch gerne den ein oder anderen Garten.
Andere deutsche Bezeichnungen der Vogelmiere (Stellaria media) sind Sternenkraut oder – weniger schmeichelhaft – Hühnerdarm, beziehungsweise Mäusedarm. Die Art gehört zur Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae).
Vogelmiere ist einjährig, wächst kriechend auf dem Boden und besitzt viele eiförmige Blättchen. Auch das Wurzelsystem bleibt relativ flach unter der Erdoberfläche. Wenn sie kahle Flächen erobert, bildet sie rasch einen fluffigen, dichten Teppich. Dieses schlichte Kraut, das man nur allzu leicht übersieht, vollbringt zudem ungeahnte Hochleistungen.
Zum einen kann die Vogelmiere bei milderen Temperaturen ein ganzes Jahr lang ununterbrochen blühen – mit kleinen, weißen Blüten auf filigranen Blütenstielen. Außerdem ist die Vogelmiere eine Meisterin der Samenproduktion. Sage und schreibe zwischen 5.000 und 20.000 Samen kann eine einzige Pflanze produzieren.
Auf nährstoff- und humusreichen Böden lässt sich die Vogelmiere nicht lange bitten. Oft ist sie eine der ersten, die mutig ein kahles Beet besiedelt. Doch nicht nur im Garten, auch in anderen Gebieten erweist sie sich als echte Pionierpflanze. Wo erstmal nichts mehr wächst, beispielsweise nach einem Brand oder Hochwasser, entdeckt man Vogelmieren schon nach kurzer Zeit wieder.
Nicht nur als Pionier-, sondern auch als Zeigerpflanze gilt Stellaria media. Denn das Vorkommen der Art ist meist ein Indikator für besonders stickstoffreichen Boden – für Gärtner*innen also durchaus ein erfreuliches Zeichen.
Tatsächlich gibt es noch viel mehr Gründe, sich über den Anblick der Vogelmiere im Garten zu freuen, anstatt sie als Unkraut zu verteufeln. Gerade in unbepflanzten Beeten, über den Winter oder auf vorübergehend brachliegenden Flächen, sorgt ihre schnelle Ausbreitung dafür, dass der Boden feucht und das Bodenleben gesund und munter bleibt. Und nicht nur das: Die teppichartig wachsenden Vogelmieren schützen die Erde auch vor Nährstoffauswaschung und vermehrter Erosion.
Die unscheinbare Wildpflanze hat zudem auch einige tierische Fans auf ihrer Seite. Für Vögel sind die Samen der Vogelmiere kleine Köstlichkeiten und das ein oder andere Kaninchen knabbert gerne an ihren Blättern. Die Blätter sind zudem Nahrungsquelle für Schmetterlingsraupen. Die Blüten sind zwar zugegebenermaßen winzig, bieten aber immerhin ein kleines bisschen Nektar für diverse Falter, Wildbienen und andere Insekten.
Den meisten dürfte eine Vogelmiere schon einmal begegnet sein. Doch ihr unaufdringliches Erscheinungsbild sorgt nicht gerade dafür, dass man sich genauer mit ihr beschäftigt. So wissen wohl auch die Wenigsten, dass in den schlichten Pflänzchen eine beeindruckende Heilwirkung schlummert. Ihre gesundheitsförderlichen Inhaltstoffe reichen von Vitaminen A, B und C über Mineralstoffe wie Kalium, Phosphor, Magnesium, Eisen, Kupfer und Selen bis hin zu sekundären Pflanzenstoffen wie Aucubin. Besonders dem Aucubin wird eine positive Wirkung auf das Immunsystem zugeschrieben. So soll die Vogelmiere unter anderem bei Rheuma, Atemwegserkrankungen sowie Nieren- und Blasenproblemen förderlich sein.
Verzehrt werden können alle oberirdischen Teile der Pflanze. Die frischen Blätter schmecken angenehm würzig und haben es mittlerweile sogar schon als raffinierte Salate auf die Gourmetteller in Sternerestaurants geschafft. Wem der rohe Geschmack zu intensiv ist, kann auch einen Tee aus den Blättern kochen, sie zu Pesto verarbeiten oder beispielsweise einem Smoothie beimischen.
Ein Vorteil gegenüber vielen Kulturpflanzen: Die Vogelmiere ist das ganze Jahr über grün. Selbst im eisigsten Winter kann man ihre Blätter sammeln und frisch verspeisen oder weiterverarbeiten.
Achtung, Verwechslungsgefahr
Nicht nur kann es zur Verwechslung mit anderen Mierenarten kommen. Viel fataler ist die Ähnlichkeit der Vogelmiere zum Acker-Gauchheil (Anagallis arvensis), der sogar Falsche Vogelmiere genannt wird. Aufgrund seiner Giftigkeit muss beim Ernten der Vogelmiere besonders gut hingeschaut werden. Die orangefarbenen Blüten unterscheiden den Acker-Gauchheil von der weißblühenden Vogelmiere.
Außerhalb der Blütezeit können die beiden Pflanzen allerdings oft nur über ein dezentes Detail auseinandergehalten werden: An den dünnen Stängeln der Vogelmiere zieht sich eine Reihe feiner Härchen entlang, die sogenannte Haarlinie.
Vielleicht sind Sie, bei all den Vorteilen, die Vogelmieren mit sich bringen, auf den Geschmack gekommen und möchten sie sogar gezielt im Garten anbauen. Säen Sie hierfür die Samen im Frühjahr ins Freiland oder einen Topf. Kompost sorgt für optimale Bodenbedingungen.
Doch auch wenn das Auftreten der Vogelmiere im Garten einige erstaunliche Vorteile mit sich bringt – vielleicht gibt es Flächen, auf denen sie sich dennoch nur ungerne mit ihr anfreunden möchten. Im Rasen oder zwischen den Reihen im Gemüsebeet kann ihre Ausbreitungsfreude störend sein. Zwischen den Beeten ist die Ausbringung einer Mulchschicht eine einfache, vorbeugende Maßnahme. Sollte das Wildkraut im Rasen auftauchen, ist es vor allem wichtig, die Aussaat zu verhindern und die Miere vor dem Blühen zu entfernen. Und wenngleich sie im Beet manchmal weichen muss, vielleicht darf das kleine Kraut zumindest in sonst kahlen Hinterhöfen und Ecken stehenbleiben.
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