Spaziergänge durch heimische Wälder sind beliebt. Sie bieten Ruhe und gleichzeitig lässt sich vieles entdecken. Die Wege durch Nadelwälder säumen Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus), im Volksmund besser als Blaubeeren bekannt. In unmittelbarer Nähe wachsen häufig kleinere sparrige Zwergsträucher mit roten Früchten. Es sind die nahen Verwandten der Heidelbeeren, die man üblicherweise als Preiselbeeren kennt.
Botanisch handelt es sich um die Art Vaccinium vitis-idaea, die weltweit etwa 450 Geschwister hat. Preiselbeeren sind auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet. Man begegnet ihnen als immergrüne, kaum verzweigte Zwergbüsche in kalkfreien Hochmooren, Heidelandschaften, lichten trockenen Fichten- und Kiefernwäldern. In den Alpen begleiten die kompakten Preiselbeersträucher die Wanderer bis in die baumfreie Zone in einer Höhe von 3.000 Metern. Ihr halbverholzender Spross ist wenig verzweigt, anfangs niederliegend und später sich aufrichtend. Die verkehrt-eiförmigen und immergrünen Blätter sind wechselständig an den Zweigen angeordnet.
Ihre Spitze ist stumpf bis abgerundet, keilförmig zum Blattgrund zulaufend. Ein kurzer Stiel verbindet sie mit den Zweigen. Beim Anfassen fühlen sich die dunkelgrün glänzenden Preiselbeerblätter ledrig an. Die Blattunterseite wirkt bleich und ist von dunkleren Harzdrüsen besetzt.
Von Mitte des Frühlings bis in den Hochsommer blühen Preiselbeeren in kleinen hängenden Trauben am Triebende. Die Blüten bestehen aus fünflappigen Kelchen und röhren- bis bauchförmigen Kronen in weißlicher bis rötlicher Farbe. Optisch wirken die Preiselbeerblüten wie kleine Glöckchen. Bis zu acht Einzelblüten bilden eine endständige Traube am Zwergstrauch. Von ihnen magisch angezogen, sorgen Bienen und Hummeln für die Bestäubung.
Mit dem Spätsommer beginnt die Erntezeit der Preiselbeeren. Bereits wenige Wochen nach der Befruchtung reifen aus den Blüten runde hellrote Beerenfrüchte heran. Sie können bis zu einem Zentimeter groß werden und färben sich zur Vollreife leuchtend rot ein. Das Fruchtfleisch ist weiß und durchsetzt von länglich braunen Samen.
Manche denken bei der Kultur-Preiselbeere an die nordamerikanische Cranberry (Vaccinium macrocarpon). Doch die hierzulande als Großfrüchtige Moosbeere bezeichnete Cranberry hat mit der Preiselbeere nicht viel gemein. Sie ist nicht nur viel größer sondern unterscheidet sich auch deutlich im Geschmack.
Aus Sicht der Nährwerte sind Preiselbeeren sehr gesund. Sie enthalten Vitamin C und weitere, Arbutin, organische Fruchtsäuren (z.B. Salicylsäure), Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor.
Preiselbeeren können noch mehr, als rein den Gaumen zu verwöhnen. In der Heilkunde kennt man die heimischen Wildpflanzen seit vielen Jahrhunderten. Auf die Heilkräfte soll bereits Hildegard von Bingen vor 900 Jahren gesetzt haben. Die Blätter gelten in der Volksmedizin durch ihren Gehalt an Tanninen entzündungslindernd und werden zwischen Mai und Juli zum Trocknen gesammelt. Aus ihnen werden Aufkochungen hergestellt, die bei Magen-Darm- und Harnwegsproblemen eingesetzt werden. Von einer Selbstmedikation ist abzuraten, denn bei falscher Dosierung drohen starke Nebenwirkungen.
Selten werden Preiselbeeren frisch an Ort und Stelle verzehrt, sondern bevorzugt frisch verarbeitet. Man verwendet die Beeren für Konfitüren, Sirups, Brotaufstriche, Kuchen- oder Eisspeisen. Gourmetköche schätzen die frischen herb-sauren Früchte als saisonale Beilage für regionale Wildgerichte. In der Beliebtheit ist und bleibt die Kombination mit gebackenem Käse ungeschlagen. Leider sind die roten Beeren nicht von langer Haltbarkeit gesegnet. Im Kühlschrank behalten sie etwas länger ihre Frische.
Auch wenn regelmäßige Waldspaziergänge das Gemüt erhellen, lässt sich die Ernte von Preiselbeeren einfacher im Garten bewerkstelligen. Ihr Anbau gelingt, wenn man einige Vorbereitungen durchführt. Wer bereits Kultur-Heidelbeeren angebaut hat, wird vor keine unlösbaren Probleme gestellt. Zunächst steht die Suche nach einem geeigneten Standort an. Er sollte abseits der Sonne im Streuschatten von Sträuchern oder Bäumen gelegen sein. Ebenso wichtig sind die Bodenansprüche der Preiselbeeren. Frisch bis mäßig trocken, humos und vor allem kalkfrei sollte er sein. Die klassischen Standortbedingungen der meisten Heidekrautgewächse (Ericaceae).
Zur Pflanzung bedient man sich selbstverständlich nicht im Wald. Baumschulen und Obstgärtner bieten Kultursorten und Züchtungen neben der heimischen Wildform an. Beispiele sind die Preiselbeer-Sorten ‚Koralle‘ mit mittelgroßen Früchten, die weniger herb-säuerliche Sorte ‚Red Pearl‘ oder wuchskräftige Sorte ‚Erntesegen‘ mit einem milden Geschmack für den frischen Genuss. Obwohl Preiselbeeren selbstfruchtend sind, gilt die Empfehlung, mindestens zwei unterschiedliche Sorten für einen besseren Fruchtertrag anzupflanzen.
Man pflanzt Preiselbeeren idealerweise im Frühjahr. Herbstpflanzungen sind zwar möglich, doch Immergrüne leiden allzu oft an austrocknenden Kahlfrösten im folgenden Winter. Einen guten Platz finden sie als Begleitpflanze bzw. als Unterpflanzung von Kulturheidelbeeren. Sie machen sich wie ein Bodendecker darunter breit und bilden eine gute Lebensgemeinschaft. Auch unter anderen Gehölzen finden Preiselbeeren zur dauerhaften Bodenbegrünung einen geeigneten Platz. Durch ihre Breitwüchsigkeit ist ein Pflanzabstand zwischen 30 bis 50 cm empfehlenswert.
Je nach vorherrschender Bodenart sind Bodenverbesserungsmaßnahmen lohnenswert. Schweren Böden wird ein Gemisch aus sandiger Nadelerde beigemischt, leichten Sandböden Nadel- oder Laubhumus. Beim Einsetzen kann man die Beerensträucher wenige Zentimeter vertieft einsetzen. Was für die meisten Pflanzen schädlich ist, regt in diesem Falle die Verzweigung und Triebbildung an der Basis an. Nach dem Pflanzen mulcht man die Preiselbeeren mit Nadelspreu. Es verhindert das Austrocknen der Bodenoberfläche und senkt auf natürliche Weise den pH-Wert.
Nach einiger Zeit haben sich die Zwergsträucher am Standort eingewöhnt. Über das Jahr benötigen sie wenig Pflege. Jährlich kann etwas Nadelmulch oder Rhododendronerde um die Pflanzen aufgetragen werden. Während des Sommers und in kalten Wintern leiden die immergrünen Halbgehölze unter Trockenheit. Regelmäßiges Wässern im Sommer ist so selbstverständlich, wie auch das Wässern vor längeren Frostperioden ohne Schnee.
Rückschnitte sind im Gegensatz zu den bekannten Cranberries bei Preiselbeeren nicht notwendig. Ebenso einfach gestaltet sich die Vermehrung. Im Frühjahr oder im Herbst lassen sich bewurzelte Ausläufer abnehmen und verpflanzen. Alternativ können im Frühsommer Stecklinge geschnitten und bewurzelt werden.
Von Krankheiten und Schädlingen bleiben Preiselbeeren weitestgehend verschont. Lediglich das Vergilben und eine Gelbfärbung der Blätter weist auf eine mögliche Kalkchlorose hin. Man wirkt dem entgegen, indem saure Nadel- oder Rhododendronerde in die Bodenoberfläche eingearbeitet wird.
Preiselbeeren sind weit verbreitet und haben zahllose regionale Bezeichnungen. So bekannt ihr Ruf, so selten findet man sie in der Küche. Trotz ihres besonderen Aromas und der vielfältigen Inhaltsstoffe, fristen sie bis heute im Nischendasein. Vielleicht lohnt ein kleines Gedankenspiel: Statt Wildwuchs im Unterholz, könnte man doch Gehölz- und Baumscheiben zierend wie nutzbringend mit Preiselbeeren begrünen?
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