Die unpaarig gefiederten Blätter des Speierlings können zu Verwechslungen führen, doch es gibt einige eindeutige Unterscheidungsmerkmale zwischen Vogelbeer-Bäumen und Speierling. Foto: AdobeStock_Michael Müller

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Speierling: wiederentdecktes Wildobst für den Garten

Von GartenFlora

Der Speierling hat eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Sie reicht vom fast vergessenen und beinahe vom Aussterben bedrohten Wildobstgehölz bis zum „Baum des Jahres“. Inzwischen erlebt der Speierling eine Art Revival – die Ernennung zum Jahresbaum in den 90ern hat dazu geführt, dass er einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat und seine vielen positiven Eigenschaften ins Blickfeld gerückt sind.

Ein Baum mit Geschichte

Speierling mit einigen an der Sonnenseite etwas rötlich gefärbten Früchten
Die Früchte des Speierlings sind an der Sonnenseite häufig rötlich gefärbt. Foto: AdobeStock_Viktoria

Einst hatte der Speierling (Sorbus domestica) sogar kaiserlichen Rückhalt. Karl der Große ließ um das Jahr 800 herum eine Landgüterverordnung erstellen, die den Anbau bestimmter Nutzpflanzenarten auf seinen Ländereien vorschrieb. In diesem „Capitulare des villis“ wurde unter anderem vorgegeben, welche Obstbäume gepflanzt werden sollten, darunter auch der Speierling.

Im Mittelalter war der Speierling sowohl wegen seiner Früchte als auch wegen des sehr harten Holzes ein sehr wichtiger Baum. Es wurde und wird unter anderem für den Bau von Musikinstrumenten und Werkzeugen, für Drechselarbeiten und als Furnierholz genutzt.

Der Speierling – eine Baumpersönlichkeit

Er war früher nicht nur in Bauerngärten, sondern auch in Klostergärten verbreitet. Doch irgendwann geriet er etwas in Vergessenheit. Das lag vielleicht auch daran, dass der Speierling nicht so konkurrenzstark ist wie andere Bäume und dann leicht im Wettbewerb mit wüchsigeren Gehölzen den Kürzeren zieht.

Wenn er sich frei entfalten darf, entwickelt er sich zu einem eindrucksvollen, oft eher kurzstämmigen Baum mit rundlicher, ausladender Krone. Zu seinem Zierwert tragen auch die schönen Früchte und das leuchtend gelbe bis orangefarbene Herbstlaub bei.

Unterschied Speierling und Vogelbeere

Rote Vogelbeeren am Baum
Rote, reife Vogelbeeren im Sommer sind eine Wohltat für Vögel. Foto: iVerde

Je nach Standort kann der Speierling eine Höhe von 10 bis 15 Metern oder mehr erreichen. Seine langen, unpaarig gefiederten Blätter ähneln denen der Vogelbeere (Sorbus aucuparia). Doch die Früchte des Speierlings sind größer und erinnern an kleine Äpfel oder Birnen. Sie sind grüngelb und an der Sonnenseite rötlich gefärbt. Auch die Rinde unterscheidet sich deutlich: Sie ist bei älteren Exemplaren rissig, bei der Vogelbeere dahingegen glatt.

Im Mai erscheinen die weißen, angenehm duftenden Blüten in auffallenden mehr oder weniger kegelförmigen Rispen. Die Früchte reifen im September/Oktober. Sie können roh verzehrt werden, schmecken jedoch sehr herb. Deshalb wird manchmal empfohlen, sie so lange zu lagern, bis sie überreif sind oder sie zu trocknen. In der traditionellen Medizin wurden sie früher bei Magen- und Darmbeschwerden verwendet.

Leckeres aus den Früchten des Speierlings

Gebräuchlicher ist die Nutzung der Früchte bei der Apfelweinherstellung: Dem Apfelwein wird etwas Speierlingssaft aus unreif geernteten Früchten zugegeben, um den Geschmack zu verbessern und den Wein klarer und haltbarer zu machen. Die etwa zwei bis vier Zentimeter langen und circa 3 Zentimeter breiten Früchte enthalten viel Vitamin-C und auch viel Pektin.

Der hohe Gehalt an Pektin sorgt dafür, dass Gelee und Marmelade schnell gelieren. Darüber hinaus eignen sich die Früchte des Speierlings auch zur Herstellung von Kompott, Essig, Likör oder Obstler. Sobald sich die Früchte vom Baum lösen, kann die Ernte beginnen.

Ursprung des Namens

Der Speierling hat viele deutsche Namen. Er ist auch als Spierling, Spierapfel, Spreigel, Sperbel- und Sperberbaum bekannt. Zum Ursprung des deutschen Namens Speierling und der ähnlichen Namen gibt es verschiedene Theorien.

Bei der Herkunft des botanischen Namens Sorbus domestica herrscht dagegen mehr Klarheit: Er wird auf den Begriff domus für Haus oder häuslich zurückgeführt, da diese Sorbus-Art wegen ihrer Früchte früher oft in Gärten gepflanzt wurde.

Standortansprüche und Vorkommen in der Natur

Der Speierling ist vor allem in Mittel- und Südeuropa heimisch. In Deutschland ist er besonders in den klimatisch begünstigten Regionen verbreitet. Er hat einen hohen Lichtbedarf und verträgt Trockenheit relativ gut. Am besten wächst der Speierling auf kalkhaltigen, nährstoffreichen und durchlässigen Böden an einem sonnigen, je nach Region etwas geschützten Standort.

Zwar ist der Speierling sehr trockenheitstolerant, doch als junger Baum, im ersten Jahr nach dem Pflanzen, sollte er in trockenen Phasen gut mit Wasser versorgt werden. Als Jungpflanze ist er je nach Standort frostgefährdet. Später sind die Bäume jedoch völlig frosthart.

Wenn der Speierling am neuen Standort gut angewachsen ist, benötigt er keine aufwendigen Pflegemaßnahmen mehr. Er muss nicht regelmäßig geschnitten werden und trägt im Normalfall jedes Jahr reichlich Früchte. Um das Höhenwachstum unter Kontrolle zu halten, können Triebe jedoch eingekürzt werden.

ein kleiner Korb gefüllt mit apfelähnlichen Speierling-Früchten
Die Früchte des Speierlings erinnern an kleine Äpfel oder Birnen. Foto: AdobeStock_TwilightArtPicture

Den Speierling vermehren

Der Speierling ist ein Frost- und Dunkelkeimer. Wenn es um die Vermehrung geht, macht es der Speierling seinen Freunden nicht leicht – die Samen einfach auszusäen ist meistens nicht vom Erfolg gekrönt. Stattdessen wird in den Baumschulen ein spezielles und auch bei manch anderen schwer keimenden Gehölzen bewährtes Verfahren angewandt: das Stratifizieren.

Stratifizieren

Die aus den reifen Früchten ausgewaschenen Samen werden dazu auf feuchten Sand gelegt und mit einer Schicht Sand abgedeckt. Anschließend lagern sie dann zwei bis drei Monate bei Temperaturen um 4 °Grad Celsius im Kühlschrank oder einem entsprechend kühlen Raum. Der Sand muss während dieser Kühlphase feucht bleiben. Die Keimung der Samen erfolgt dann bei 20 °Grad. Anschließend werden die Pflänzchen in kleine Jiffy-Töpfe pikiert.

Der Vermehrung über Wurzelschnittlinge ist ebenfalls möglich. Sorten wie ‘Bovender Nordlicht‘ sowie die besonders große Früchte tragende Sorte ‘Sossenheimer Riese‘ werden über Veredlung vermehrt. Am erfolgversprechendsten ist die Veredlung der Sorten auf eine Sorbus-domestica-Unterlage. Aus Samen herangezogene Speierlinge brauchen rund 15 bis 25 Jahre, bis sie fruchten. Veredelungen bilden dahingegen schneller Früchte, die außerdem größer als die der Art sind.

Verwendung und Schutz des Speierlings

Der Speierling passt gut in naturnahe Gärten, auf Streuobstwiesen oder an den Rand eines Waldgartens. In Einzelstellung ist er ein schöner Hausbaum. Er ist außerdem ein Vogelnährgehölz und eine Bienenweide. Der Speierling wird auch gerne in Parkanlangen und als Landschaftsgehölz gepflanzt. Ungeschützt haben es junge Speierlinge jedoch an Waldrändern und anderen Standorten, an denen es viel Wild gibt, schwer. Rehe und Hasen knabbern gerne an jungen Trieben, an der Rinde und an den Blättern. Die Wurzeln wiederum werden gerne von Wühlmäusen gefressen.

Ist der Speierling angewachsen, gilt er als robust und wuchskräftig. Im Wesentlichen sind es zwei Krankheiten, die ihm gefährlich werden: Schorf und Rindenkrebs. Schorf kann Früchte und Triebe schädigen und auch die Früchte befallen, der Rindenkrebs schwächt die Bäume. Die beste Vorsorge für den Speierling ist der richtige Standort – viel Licht und ein recht warmer Boden.

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