Die Kopfweide ist bekannt für ihre Hohlräume, die seltenen Tieren Zuflucht gewähren. Zudem macht sie als Quelle für die begehrten Weidenruten von sich reden. Nur ihr Talent als Hausbaum wird noch unterschätzt.
Wie auf eine Perlenschnur gezogen wachsen sie auf dem Lande stets in einer Reihe nebeneinander. Selbst querfeldein, also auch dort, wo sie nicht entlang einer Straße oder eines Bachlaufs gepflanzt sind.
Alte Kopfweiden haben offensichtlich einen Hang zur Ordnung – gerade am Niederrhein beispielsweise, einer Gegend, die einst stark geprägt war von diesen starken Stämmen mit ihren feinen Kronen. Folgen die feuchtigkeitsliebenden Bäume vielleicht einer Wasserader, in die sie ihre Wurzeln schlagen?
Des Rätsels Lösung ist viel einfacher: Landwirte haben früher schlicht den Überlebenswillen dieser Bäume unterschätzt, als sie ihren Viehweiden einst Grenzen setzten. Selbst zum Zaunpfosten verstümmelt, trieb manches Holz wieder aus und wuchs zum Baum heran. Und wenn Nachbarpfosten eine gleiche Vitalität an den Tag legten …
Die Menschen frisierten diese zum Leben erwachten Pfosten dann zu Kopfweiden, um deren lange, gerade Ruten mühelos in Reichweite ernten zu können. Spätestens seit dem Mittelalter, vermutlich schon in der Jungsteinzeit, wussten sie um die Kultur der Kopfweide. Sie war Grundlage des Flechthandwerkes, das Körbe, Möbel oder Fischreusen hervorbrachte, zudem wurden die Ruten auch als Baustoff genutzt.
Heute aber sind diese Weiden in Reihe sehr selten geworden, preiswerte Kunstfasern haben ihre Pflege und Ernte überflüssig gemacht. Daher steht die Handwerkskunst des Weidenflechtens aktuell auch kurz davor, ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen zu werden.
Mit den Kopfweiden ginge aber nicht nur eine uralte Tradition verloren. Sie sind auch wertvoller Lebensraum für seltene Tiere, die mit ihnen verschwinden würden. Grund genug also, die Kopfweiden auch weiterhin zu pflegen. In Zukunft vielleicht sogar in Ihrem Garten?
Um eine natürlich gewachsene Weide zur Kopfweide zu erziehen, wird sie in ihrer Jugend etwa einen bis drei Meter über dem Boden „geköpft“, also abgeschnitten. Alternativ können im Spätwinter auch Weidensetzstangen etwa 30 – 40 cm tief in feuchte, humusreiche Erde gepflanzt werden.
Setzstangen sind etwa zwei Meter lange, gerade, an beiden Enden beschnittene Äste mit einem Mindestdurchmesser von 5 cm. In einem feuchten Frühjahr sollten sie bald anwurzeln. Werden nun alle Austriebe am Stamm regelmäßig ausgerissen, verdickt sich allmählich sein oberster Abschnitt.
In den folgenden Jahren werden die hier erscheinenden Ruten stets auf kurze, bis 10 cm lange Stummel gestutzt (Schneitelung). Dadurch treibt der Baum noch stärker aus, sodass schließlich die markante Form mit kurzem, dickem Stamm und massivem Kopf erreicht ist.
Etwa fünf Jahre braucht solch ein Steckholz, um sich zu einer ansehnlichen Kopfweide mit etwa 15 cm Stammumfang zu entwickeln. Ein einmal zur Kopfweide erzogener Baum muss zeitlebens mindestens alle sieben Jahre gestutzt werden. Ansonsten kann sein Kopf durch die veränderte Statik brechen.
Aber auch durch die regelmäßigen Schnittwunden, die bei Weiden nur schlecht abschotten, entstehen recht bald Faulstellen, die sich im Laufe der Zeit zu wertvollen Baumhöhlen entwickeln. Sehr zur Freude von Kauz und Co.
Durch das Köpfen in jungen Jahren wird die Stammhöhe der Kopfweiden bestimmt. So entstehen mal Baumzwerge mit Sturmfrisur, mal anmutige Alleebäume. Die Ruten lassen sich ganz unterschiedlich verwenden.
Das Weidentipi ist der Klassiker unter den Flechtwerken aus toten Ruten. Es kann als Rankhilfe dienen, ist aber auch nackt ein toller Blickfang im Beet. Ein lebender Weidenzaun entsteht am besten aus Salix viminalis, S. alba oder S. smithiana. Den Neuzuwachs stets einkürzen oder einflechten.
Eine Heimat für kleine Höhlenforscher: Kopfweiden sind sehr anfällig gegenüber Fäulniserregern, sodass sie relativ bald Hohlräume bilden. Seltene Tiere wie Siebenschläfer, Fledermaus und Steinkauz finden hier einzigartige Nistquartiere. Die Bäume wachsen und blühen selbst dann noch, wenn sie nahezu vollständig hohl sind. So sind sie auch im hohen Alter wertvolle Nektar- und Pollenweide für erste Bienen und Schmetterlinge im Jahr.