Es ist uns allen gut bekannt: In der Informationstechnologie gibt es alle paar Jahre neue Versionen und Generationen, mit der Folge, dass Soft- und Hardware häufig nicht mehr kompatibel sind. Jeder ärgert sich darüber. Ganz anders ist es dagegen, in einem Gartenkatalog von neuen Sorten zu lesen! Bei ihnen gibt es keine Probleme mit Kompatibilität, ganz im Gegenteil, die neuen Sorten sind in jeder Weise und tatsächlich: einfach besser!
Nicht, dass es an Auswahl mangelte! Das Angebot an Pflanzen im Fachhandel der Baumschulwirtschaft ist erstaunlich groß. Zum Beispiel bei Kletterpflanzen: Es gibt verschiedene Gattungen – zum Beispiel Clematis oder Lonicera – die meisten Gattungen untergliedern sich in verschiedene Arten und diese schließlich in eine Vielzahl von Sorten. Allein von der Clematis sind in gut sortierten Baumschulen mehr als zehn Arten bzw. über 30 Sorten im Angebot. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Blütezeit, der Blütenfarbe und der Wuchskraft, es gibt duftende und nicht duftende Sorten. Ähnlich bei Rosen. Schon das bestehende Sortiment ist riesengroß – und jedes Jahr kommen neue Sorten dazu!
Damit wächst die Vielfalt an kultivierten Pflanzen – wobei gute, neue Sorten auch dazu führen können, dass alte Sorten nicht mehr vermehrt werden. Warum auch, wenn die neuen Züchtungen zum Beispiel eine höhere Widerstandskraft gegen Frost oder Schädlingsbefall haben? In botanischen Gärten, in vielen Parks und Schaugärten und nicht zuletzt in den Sorten- bzw. Genbanken der botanischen Institute werden die alten Sorten jedoch erhalten und stehen für die Nutzung, zum Beispiel als Kreuzungspartner für weitere Züchtungen, zur Verfügung.
Die Erhaltung einer möglichst großen Sortenvielfalt hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden staatliche und private Sammlungen angelegt. Diese Tradition wird besonders bei Obst bis heute in eigenen Institutionen fortgeführt: Vor allem sind es die sogenannten Reisermuttergärten, in denen Mutterpflanzen für alte und neue Sorten kultiviert werden. Von hier aus werden die Baumschulen mit dem Ausgangsmaterial versorgt, um Obstgehölze für private Gärten und auch für den Erwerbsobstbau heranziehen zu können.
Die Arbeit der Reisermuttergärten zur Erhaltung der Sortenvielfalt hat ökologische, gesundheitliche und kulturelle Bedeutung; sie ist aber auch für die weitere Züchtung von gesundem, schmackhaftem und ertragreichem Obst von entscheidendem Wert. Schließlich braucht die Züchtung ein möglichst breites Repertoire an genetischen Informationen, um neue und verbesserte Sorten zu finden. Eine wesentliche Aufgabe der Reisermuttergärten ist auch, die garantierte, weil ständig geprüfte Virusfreiheit der Obstgehölze zu erhalten. Käufer von Obstgehölzen sollten auf die Angabe „vf“ für virusfrei auf den Etiketten achten. Diese Information bietet beste Voraussetzungen dafür, dass der Obstbaum im Garten auch nach vielen Jahren noch gesund ist und reich trägt.
Viele der heute beliebtesten Gartenpflanzen sind schon lange Begleiter der Menschen und es gibt eine enorme Vielfalt. Schätzungen zufolge gibt es auf der Welt mehr als 30.000 Apfelsorten, mehr als 2000 davon allein in Deutschland. Äpfel sind seit vielen Jahren das liebste Obst der Deutschen. Aber die Sortenauswahl im üblichen Supermarkt ist äußerst gering. Lediglich 25 Sorten werden heute noch im Erwerbsobstbau kultiviert und nur sieben davon regelmäßig im Handel angeboten: Boskoop, Cox Orange, Golden Delicious, Elstar, Gloster, Jonagold und Granny Smith.
Wo also stehen die vielen Apfelsorten – lokale, alte aber auch neue Sorten? Sie stehen in privaten Gärten, in Schrebergärten und im Streuobstanbau. Diese Vielfalt zu erhalten und weiter auszubauen haben sich auch die deutschen Baumschulen auf die Fahnen geschrieben. Viele Obstbaumschulen produzieren ein breites Sortiment an Obstarten und lokal bzw. regional bedeutenden Sorten und sorgen so für eine große Auswahl im Fachhandel für Baumschulpflanzen. Gartenbesitzer, die sich bei der Wahl der Sorten beraten lassen, können so zum Erhalt einer alten Kulturpflanze beitragen und damit sich und Freunden Geschmackserlebnisse gönnen, die ihnen kein Supermarktapfel je bieten kann. Artenvielfalt ist auch lecker.
Quelle: BdB