Gräser blühen nicht. Sie wuchern. Immer wieder einmal wird Dr. Konrad Näser mit solchen auf Unkenntnis beruhenden Argumenten konfrontiert. Es ist wohl an der Zeit, endlich damit aufzuräumen.
Es lässt mich nicht los, das Eulalia-Gras. Dabei kennt es kaum noch einer unter diesem Namen. Mir begegnete es erstmals um 1960 in der Foerster-Gärtnerei. Da hieß es dann allerdings schon „Feinhalm-Miscanthus“, Miscanthus sinensis ‘Gracillimus’. Nur der „Chef“ hielt noch an dem alten Namen Eulaliagras fest: „Der klingt so schön!“
Seitdem verfolgt mich der Klang dieses Namens. Immerhin so nachhaltig, dass ich mit meiner Frau beschloss, der einschmeichelnden weiblichen Stimme in unserem Navi den Namen „Eulalia“ zu geben. Sie reagiert aus dem All so wunderbar gleichmütig, wenn ich mit dem Auto anders abbiege, als sie es vorgibt. Und wenn wir uns mal so richtig verfahren haben, kommt die Frage auf: „Was sagt denn Eulalia dazu?“
Der Wegbereiter für den Einzug der Gartengräser am Anfang des 20. Jahrhunderts war zweifellos Karl Foerster. Als er 1907 seine Gärtnerei gründete, waren erst ein reichliches Dutzend Gräserarten bzw. -sorten in den Privatgärten verbreitet. Aus Katalogen der damaligen Zeit geht hervor, dass sich darunter ein Gras befand, das „Eulaliagras“ genannt wurde.
Heute weiß ich, dass Eulalia eine spanischen Märtyrerin aus der Frühzeit des Christentums war. Warum aber ausgerechnet ein Gras diesen Namen erhielt, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls war Karl Foerster ausnahmsweise mal nicht der Täufer, wohl aber der Verbreiter dieses Gartenschatzes. Noch jetzt ist der Feinhalm-Miscanthus im Sortiment vertreten und als langlebiges Gartengras mit gutem Schmuckwert im Winter sehr empfehlenswert.
Doch Gräser sind eigenwillig, und wenn wir nicht auf sie eingehen, dann sind sie entweder schnell wieder weg oder nach kurzer Zeit im Garten präsenter als uns lieb ist. Aber man kann den Umgang mit Gräsern erlernen.
Die erste Regel lautet: Gräser sind überwiegend Sonnenkinder. Sie stammen von lichten Bergwiesen oder aus schattenfreien Grassteppen. Nur unter diesen Bedingungen sind sie gedrungen im Wuchs, straffstielig und standfest. Eingepfercht zwischen hohen Stauden fühlen sie sich meist beengt und zeigen ihren Unwillen deutlich an.
Ein hochwüchsiges Gras will im Garten von allen Seiten bewundert werden, ist also bestens geeignet für die Solitärstellung. Ich erinnere an solche Gestalten wie das Pfeifengras (Molinia), den Blaustrahlhafer (Helictotrichon) oder das Chinaschilf (Miscanthus). Nur wenn sie frei stehen, entfalten sie ihre besondere Schönheit.» Grazile Vielfalt: Gartengestaltung mit Gräsern
Die zweite Regel gilt der Ernährung: Gräser sind keine Mastgänse. Ihr Naturstandort ist meist nur mäßig mit Nährstoffen ausgestattet. Gewiss, bei guter Ernährung legen sich Gartengräser so richtig ins Zeug – und dann eben auch richtig um.
Stäben und Hochbinden sind die Notlösungen, die ihre natürliche Eleganz nur unvollständig wieder herstellen können. Ein wenig Kompost im Frühjahr, vielleicht einige Hornspäne dazu, das reicht für ein Jahr. Wer allerdings mit dem Riesen-Miscanthus, Miscanthus x giganteus, eine drei Meter hohe Hecke gestalten will, muss schon etwas „drauflegen“.
Keine Angst, der fällt auch bei guter Ernährung nicht so schnell um. Er hat nur einen anderen Nachteil: Im Winter wehen seine langen Blätter als fahlgelbe Bänder durch den Garten – ganz ärgerlich sieht das zur Weihnachtszeit im Maschendrahtzaun aus!
Meine Schattengräser, wie Bärenfell-Schwingel (Festuca gautieri), Japan-Segge (Carex morrowii) und Wald-Marbel (Luzula sylvatica) bekommen gar nichts und wachsen trotzdem prächtig.
Mit dem Rückschnitt befasst sich Regel Nummer drei: Der ist unkompliziert.
Grundsätzlich wird erst im zeitigen Frühjahr zurückgeschnitten. Vorher bieten Gräserbüsche im Herbst und Winter prächtige Anblicke durch ihre Gestalt und Blattfärbung.
Sie bringen die Herbststimmung in den Garten, und im Winter sind sie Raureifpartner. Sie bieten mancherlei Tieren in der kalten Jahreszeit Unterschlupf. Der Frühjahrsrückschnitt hat noch einen gärtnerischen Grund: Die Erfahrung lehrt, dass bei Herbstrückschnitt Regenwasser in die Stengelstoppeln läuft und im Wurzelballen für Fäulnis sorgt.
Das gilt besonders für die Chinaschilf-Sorten. Meine Gräser muss ich allerdings schon im Nachwinter zurückschneiden, weil ich später die ringsum austreibenden Winterlinge zertreten würde. Immergrüne Gräser, wie einige Seggen und Marbeln, schneide ich nicht zurück, sondern putze sie nur aus. Auch der Rückschnitt von bodendeckenden Gräsern und Schwingeln (Bärenfell-Schwingel!) ist nicht zwingend notwendig.
Der Blick auf den Umgang mit Gräsern wäre unvollständig, wenn die ausläufertreibenden nicht erwähnt würden. Was tun mit Strandhafer, Silberfahnengras, Goldleistengras und wuchernden Seggen?
„Sie sind doch so schön!“ Ich sage Ihnen aus Erfahrung: Lassen Sie besser die Finger von ihnen. Jede Rhizomsperre läuft auf „Käfighaltung“ hinaus.
Der Freiheitsdrang der Eingesperrten überwindet sie irgendwann. Sie frei wachsen zu lassen, kann nur in großzügigen Pflanzungen funktionieren. Wirklich eindringlich warnen möchte ich vor dem Zwergbambus, Pleioblastus distichus. Sind wir Gartenmenschen mit der Quecke nicht schon genug gestraft?
Dr. Konrad Näser
Untrennbar ist sein Name mit der bekannten Gärtnerei „Karl Foerster“ in Potsdam-Bornim verbunden. Als Züchtungsleiter trat Dr. Konrad Näser nach Foersters Tod im Jahre 1970 in dessen Fußstapfen.
Die Riesen:
Die Mittleren:
Die Zwerge:
Einige Gräser sorgen gerne mal für mehr oder weniger willkommene Abwechslung. Jeder entscheidet selbst, ob er das möchte.