„Wir haben noch Baustellen im Garten und es ist noch nicht alles gepflegt, aber langweilig wird der Besuch in unserem Hosta-Garten garantiert nicht!“ Wer kann einer solchen Einladung widerstehen.
„Herr der Hosta“ wird Jochen Kraatz in Potsdam, und nicht nur dort, genannt. Der Mann waltet über ein kleines Imperium, ein lebendiges Denkmal der Leidenschaft zu einer Pflanze. Sie ist, für sich genommen, nicht einmal besonders spektakulär. Eine mehr oder weniger schlichte Blattschmuckstaude mit fernöstlichen Wurzeln hat sich in Jochen Kraatz’ Herz geschlichen: die Hosta, besser bekannt als Funkie.
Einige Exemplare gibt es in so gut wie jedem Garten, der Potsdamer aber legt es auf Superlative an: Ist seine Privatsammlung schon die umfangreichste? Immerhin 500 verschiedene Sorten hat er, und das spricht sich herum.
Spätestens wenn das überschaubare Sortiment im Baumarkt abgegrast ist, die Staudengärtnerei ebenfalls nichts Neues mehr beizusteuern hat, findet der Hosta-Jünger, dann ebenfalls schon Feuer und Flamme, den Weg in „Jochens Hostagarten„. Und steckt sofort in einem Zwiespalt: Soll er sich der Faszination der gestalteten Gartenlandschaft hingeben oder schnurstracks zu den Quartieren mit den unglaublich verlockenden Funkien in Töpfen durchschlagen und die eigene Wunschliste abarbeiten?
Egal, welche Reihenfolge er wählt, kaum einer geht, ohne neugierig auch die letzten Ecken des weitläufigen Areals erforscht zu haben und ebenso selten schafft es einer, den Garten ohne irgendeine neue Lieblingsfunkie zu verlassen.
Für die „Sehleute“, damit meint Jochen Kraatz die Besucher auf Inspirationstour, öffnet er seinen Garten jedes Jahr im Mai und im Juli. Und gibt diesen Tagen jeweils ein Motto: „Hosta und Alliumblüte“ heißt es im Mai, und der Juli-Termin steht im Zeichen von „Hosta und die Blüte der Taglilien„.
Gerade Letztere sind mit dem recht gegensätzlichen Auftritt , aber ähnlichen Vorlieben als perfekte Partner zu den Funkien ein sicherer Tipp. Dass auch die nässeempfindlichen Zierlauch-Zwiebeln mit den Funkien kooperieren, liegt wohl am guten Wasserabzug, den der märkische Sand im Untergrund gewährleistet.
Wieso Untergrund? Noch nichts von der „märkischen Streusandbüchse“ gehört? Diese Frage setzt bei dem Gärtner aus Leidenschaft ordentlich Emotionen frei: „Ich habe den Boden, den ich will! Die Ausrede, dass der Boden hier nichts hergibt und deshalb der Garten dürftig aussehen muss, lasse ich einfach nicht gelten.“ Tonnen von Muttererde hat Jochen Kraatz heranschaffen lassen und eingearbeitet, um für seine Lieblingspflanzen die besten Bedingungen herzustellen. Und noch mehr Tonnen Steine, einige von imposantem Hinkelstein-Kaliber.
Der Mann hat Elan, und er gibt es zu: „Was ich mache, das mache ich richtig, oder ich lasse es sein.“ Immerhin war er nie Gärtner von Beruf. Zu seiner wahren Berufung fand er erst nach der Berufsarbeit. Das 1,5 Hektar große Areal, das er seit fast 20 Jahren in einen Garten der Superlative verwandelt, kam seinen Ambitionen gerade recht.
Die Idee von einem lebendigen Garten mit viel Raum für Natur beflügelte ihn, als er Anfang der 90er Jahre vor einer verwahrlosten Brache und den desolaten Resten eines Vierseithofes stand. „Andere kaufen sich vielleicht einen Ferrari, ich habe viel lieber alles Geld in dieses Stück Land gesteckt“, so Jochen Kraatz.
Die Bäume, erst einheimische, später eher außergewöhnliche Arten, wie die Zwerg-Sumpfeiche, hat er eigenhändig gepflanzt. Sie sind in den zwei Jahrzehnten herangewachsen und spenden jetzt den lichten Schatten, den besonders die blaulaubigen Hosta brauchen, um nicht zu verbrennen.
Als sich irgendwann zeigte, dass man mit dem Verkauf außergewöhnlicher Funkien gutes Geld verdienen kann, baute der mittlerweile zum Fachmann in Sachen Hosta gereifte Gärtner die große Schattenhalle in einem abgelegenen Teil des Geländes. Und besteht darauf, zu betonen, dass Funkien keine Schattenpflanzen sind. „Hosta wachsen auch im Schatten und sie vertragen den Wurzeldruck von Bäumen. Aber viel lieber haben sie volles Licht, dann färben sich die Blätter besser aus.
Ideal wären volles Morgenlicht oder Nachmittagssonne. Intensive Mittagssonne lässt bei vielen Sorten die Blätter verbrennen.“ Und in diesem vollen Licht, mit ein wenig Rückendeckung am Mittag durch Bäume in einiger Entfernung, sehen wir auch die prächtigsten Exemplare, neben dem Trommelwirbel, den Hunderte von Allium-Kugeln anstimmen und neben den Taglilien, die nun wirklich keine Schattenpflanzen sind. An solchen Vorzugsplätzen blühen schließlich auch die Funkien üppiger.
Aber wir reden hier doch von Blattschmuckstauden! Ja, natürlich schätze auch ich die weißen, duftenden Blüten meiner Lilien-Funkie sehr. „Na dann schauen Sie sich erst einmal die dunkle Blütenschönheit ‘Phantom’ an. Oder die dreifach gefüllten Blüten von ‘Venus’. ‘Apple Green’ ist äußerst reichblühend, bringt oft fünfzig Stängel. Und Hosta tardiflora, die schlichte, grüne Blattstaude, hat letztes Jahr noch im Oktober das Wäldchen mit ihren wunderschönen Glockenblüten verzaubert.“ Jochen Kraatz gerät ins Schwärmen. Und wie kaum anders zu erwarten, endet dann auch mein Besuch im Einkaufsgarten.
Autorin: Elke Pirsch