Ein Winterspaziergang durch das Immergrüne. Die Schere hatte ich irgendwo im Garten verloren. Im August. Ein bisschen angegriffen sah sie jetzt aus. Aber mit etwas feinem Sandpapier und einem Öllappen brachte ich sie wieder in Schwung und machte ein paar Probeschnitte am Klarapfel.
Ja, alles wieder wie früher. Da fing mein morgendlicher Gang hinaus in den Garten gleich gut an. Jeden Tag beginne ich so, ganz gleich welche Jahreszeit oder welches Wetter mich empfängt.
Es ist ein gutes Gefühl, den neuen Tag draußen zu begrüßen, sich mit der Natur zu verbinden. „Marotte eines Alten“, mag mancher denken. Doch ich weiß: Es ist hilfreich, den Alltag durch einige Rituale zu gliedern.
Der Morgenweg führt mich an der Taglilienrabatte vorbei, dort lag sie, die Schere. Liegt Schnee, kann ich gleich erkennen, wer mit mir den Garten teilt, der Fasan, der Feldhase (!), unser Kater …
Liegt kein Schnee, freue ich mich an den Strukturen der Pflanzen oder am Raureif. An der kleinen Wetterstation lese das Wetter ab, jeden Morgen – eine Gewohnheit, zu der ich schon als Gärtnerlehrling angehalten wurde, um die engen Beziehungen der Pflanzen zum Wetter zu begreifen. Seit Jahrzehnten trage ich die Werte in mein „Wetterbuch“ ein.
Dann schweift mein Blick über den Garten. Er ist noch immer grün, eben immergrün. Überall leuchten die glänzenden Blätter der Haselwurz (Asarum europaeum). Sie wächst gern im Buchenwald, der vor Jahrhunderten auch unsere Gegend bedeckte.
Kein Wunder also, dass sie in meinem Schattengarten dichte, immergrüne Flächen bildet. Sie breitet sich über kurze Rhizome und durch Sämlinge aus. Fast die ganze Rabatte auf der Ostseite des Hauses gehört ihr schon.
Attraktive Blüten? Fehlanzeige. Klein, braunrot und unauffällig verstecken sie sich im März/April unter dem Blätterdach. Unter der Blaufichte, im trockenen Koniferenschatten, hat sich die Garten-Taubnessel (Lamium maculatum) festgekrallt.
Besonders freue ich mich, wenn die silbrig gezeichneten Blätter aus einer dünnen Schneedecke hervorblitzen. Bis zum Februar halten die Vorjahrstriebe durch, dann werden sie unansehnlich. Doch schon im März beginnt der neue Austrieb.
Auch die Taubnessel schickt ihre Sämlinge in die Umgebung. Die Silberblättrigen suche ich heraus und pflanze sie extra. Sie sind etwas schwächer im Wuchs.
Mancher Besucher schaut etwas verächtlich auf die „Allerweltsstaude“ herab. Schade. Er weiß eben nicht: Taubnesseln sind anspruchslos, selten krank, nahezu schneckenfest, und im April blühen sie sogar recht hübsch.
Dann bewundere ich am Teich die großen Blätter des Italienischen Aronstabs, grün mit silbrigen Adern. Ist es frostfrei, leuchten sie weithin. Bei Frost jedoch liegen die Blätter wie alte Lappen schlaff auf dem Boden. Ich denke dann: „Das war’s wohl für diesen Winter“.
Aber nein, beim nächsten Tauwetter stehen sie wieder sattgrün da! Wahre Stehaufmännchen, diese Italiener. Gleich daneben hat sich ein Relikt früherer Gestaltungsideen erhalten, die Schaumkerze (Tiarella cordifolia).
Sie sollte unter den Rhododendren eine Bodendecke bilden. Dort war es ihr zu sauer und zu schattig. Also wich sie mit ihren Ranken zur halbschattigen Trockenmauer aus, über die sie jetzt keck herunter wächst.
Von der Nachmittagssonne getroffen, färben sich ihre Winterblätter bordeaurot. Eine Staude, die dem Garten im Januar erstaunlich viel Farbe verleiht, ist die Bergenie. Gewiss, die alten Sorten sind nicht jedermanns Sache.
Einzelne Blätter oder manchmal sogar ganze Rosetten leuchten jetzt aber rotbraun bis scharlachrot durch den Wintertag, an sonnigen Stellen intensiver als im Schatten. Ich habe die mittelgroßen Sorten ‘David’ und ‘Rote Schwester’ sowie die robuste ‘Eroica’ im Sinn.
Leider finde ich in meinem Garten fast nur grüne Winterblätter. Er ist zu schattig. Und früher habe ich nicht auf die rotfärbenden Sorten geachtet. Was für ein Fehler! Machen Sie es besser.
Dr. Konrad Näser
Untrennbar ist sein Name mit der bekannten Gärtnerei „Karl Foerster“ in Potsdam-Bornim verbunden. Als Züchtungsleiter trat Dr. Konrad Näser nach Foersters Tod im Jahre 1970 in dessen Fußstapfen.
Warum man in fremden Gärten so selten auf Farne trifft, bleibt Dr. Konrad Näser ein Rätsel. Mehr wintergrüne Farne in die Schattenecken!, möchte er dann dann rufen.
„Der immergrüne Filigranfarn, Polystichum setiferum, ist einer meiner liebsten. Die stattliche Sorte ‘Dahlem’ ist selten zu bekommen. Sie bringt kaum Bulbillen an den Wedeln hervor, ist deshalb schwer zu vermehren. Leichter zu haben: ‘Plumosum Densum’, ‘Proliferum’ oder ‘Nantes’. Ebenso unterbewertet wird die Stinkende Nieswurz, Helleborus foetidus.“
Dr. Konrad Näser nennt sie aus Loyalität zu Karl Foerster noch immer Palmblatt-Schneerose, und freut sich über jeden neuen Sämling, der in seinem Garten auftaucht.
Mit etwas Deckreisig einen kleinen Rundumschutz bieten!