Wenn das Werkzeug, der Zeitpunkt und das Wetter stimmen, ist das Teilen von Stauden für Dr. Konrad Näser eine der schönsten Arbeiten im Garten, der er sich leidenschaftlich hingibt.
Da liegen sie auf meinem Schreibtisch, drei große bunte Gärtnerei-Kataloge, eben erst gekommen. Angepriesen werden Stauden-Jungpflanzen, auch neue und seltene Sorten, vermehrt durch Teilung winziger Gewebestückchen im Labor, unter sterilen Bedingungen, auf synthetischem Nährboden. Und ich sitze hier, um über meinen Spaß beim Teilen von Stauden zu philosophieren. Nein, so wird das nichts!
Erst mal die Kataloge zur Seite legen. Und etwas in Worte fassen, das vielleicht manchem nicht gefallen wird: Die innere Verbindung des Menschen zur Pflanzenwelt ist in Gefahr! Und damit die Beziehung zur lebendigen Umwelt. Die Pflanzen werden zur Staffage, zum auswechselbaren Schmuckstück und zum Wegwerfartikel. Dagegen lehne ich mich auf.
Ich will meine Pflanzen von ihrem ersten Lebenstag an begleiten, sie wachsen und blühen sehen, die Jahreszeiten und die Jahre mit ihnen erleben. Dann erst gehören sie zu mir, sind ein Teil meines Lebens.
So wirken auch ursprüngliche gärtnerische Arbeiten auf mich: aussäen, teilen, pflanzen, topfen, mit den Händen in die Erde greifen, die Krümel sehen, fühlen, riechen. Und auf diesem Weg komme ich zum Spaßhaben beim Teilen von Pflanzen. Dazu braucht es nicht viel: eine kräftige Mutterpflanze, ein gutes Gärtnermesser, günstiges Wetter, die richtige Jahreszeit – und die innere Hinwendung zu dieser Arbeit.
Die Mutterpflanze suche ich mir im eigenen Garten aus. Sie soll gesund und gut entwickelt sein. Mitunter ist sie ohnehin fällig, denn Ausgraben und Teilen bringt oft einen Vitalitätsschub für eine gealterte Pflanze.
Die geeignete Jahreszeit ist für mich vorzugsweise das Frühjahr, genauer: die Monate März und April. Die innere Uhr der Pflanzen ist auf Wachstum eingestellt. Neue Triebe, Blätter und auch Wurzeln sind schon angelegt oder werden gerade gebildet. Licht und Wärme sind ausreichend da.
Nur das Wässern darf in dieser Jahreszeit nicht vernachlässigt werden. Deshalb achte ich auf das Wetter. Ein trüber, regnerischer Tag mit wenig Wind ist für die Teilungsarbeiten genau der richtige! Notfalls müssen die Teilstücke anfangs schattiert werden.
Warum aber brauchen wir das Teilen einer Staude überhaupt? Wenn eine neu gezüchtete Sorte, von der es am Anfang nur ein Exemplar gibt, vervielfältigt werden soll, dann brauchen wir die ungeschlechtliche Vermehrung. Alle dabei gewonnenen Stücke haben die gleichen Eigenschaften wie die Ausgangspflanze.
Die Alternative, nämlich die Aussaat, komtm meistens nicht in Frage: die Sämlinge können unterschiedlich ausfallen oder sogar erheblich von der Mutterpflanze abweichen.
Für das sortenechte Vermehren gibt es viele Varianten: den Wurzelballen oder die Ausläufer auseinander schneiden, Schnittlinge von den Wurzeln oder Risslinge vom Austrieb entnehmen, Stecklinge von den Stängeln schneiden oder, ganz modern, kleinste Teilstücke steril im Labor vermehren. Immer sind dabei die Jungpflanzen untereinander gleich. Die klassischen Staudengärtnereien mit ihren vielen Hundert Sorten arbeiten mit diesen Methoden.
Im privaten Gartenreich ist das Teilen von Stauden die handlichste und auch einfachste Methode: Die Mutterpflanze wird ausgegraben, die Erde vorsichtig abgeschüttelt, die Pflanze auf den Arbeitstisch gelegt.
Dann kann es schon losgehen, mit gut geschärftem Gärtnermesser. Vorsicht, irgendwo hat man schnell auch mal die Finger zwischen den Wurzeln!
Jedes Teilstück soll wenigstens ein Auge oder einen neuen Trieb und ein paar Wurzeln haben (so lernt es jeder Junggärtner). Danach schnell wieder einpflanzen, angießen – fertig. So vermehre ich z. B. Phloxe, Rittersporne, Pfingstrosen, Taglilien und viele andere mit ähnlichem Wurzelsystem.
Bei Stauden mit Rhizomen, wie Felberich, Herbst-Aster, Chrysantheme und Gelenkblume, zerschneide ich die Rhizome und topfe die Stücke vorübergehend ein, bis sie neue Austriebe zeigen. Die Sonnenbraut und der Eisenhut machen es mir leicht: Sie zerfallen nach der Blüte in viele neue Grundrosetten bzw. Knollen, die ich im Frühjahr nur noch abtrenne und neu pflanze.
Einige Pfahlwurzler, z. B. der Türken-Mohn oder die Palmlilie, lassen sich gut über das Zerschneiden ihrer langen Wurzeln vervielfältigen. Diese Wurzelschnittlingsvermehrung betrachte ich gerne als die Abiturstufe der Vermehrungsmethoden.
Am meisten Spaß macht mir selbst das Teilen der Gräser. Das geht richtig flott, z. B. beim Reitgras, beim Schwingel oder der Rasen-Schmiele. Beim harten Wurzelwerk der Chinaschilf-Sorten greife ich allerdings zu grobem Gerät: Mit dem Spaten wird zuerst vorgeteilt, dann kommt die Schere zum Einsatz, um die zähen Rhizome weiter auseinander zu schneiden.
Ein Graus dagegen war für mich früher das Teilen der Lupinen. Ich liebe Lupinen sehr. Aber sie haben Wurzeln wie Hartgummi! Dieses Teilen ist heute nicht mehr nötig, Lupinen werden nur noch aus Saatgut vermehrt. Die Gärtner nach mir sind da ausnahmsweise mal besser dran.
Dr. Konrad Näser
Einige Stauden können Jahre, sogar Jahrzehnte (!) an ihrem Platz stehen, ohne nachzulassen. Ausgraben und Teilen stört sie nur in ihrer vollkommenen Schönheit.
Solche Stauden mit Ausdauer sind Waldgeißbart, Riesen-Chinaschilf, Silberkerze, Pfingstrose oder Tränendes Herz. Pfingstrosen können jahrelang am Platz bleiben. Sie zeigen an, wann es Zeit zum Teilen ist: Sie werden blühfaul.
Rechtzeitiges Teilen wirkt auf viele Stauden wie eine Verjüngungskur: Am neuen Platz mit neuen Trieben und neuen Wurzeln wachsen und blühen sie besser als zuvor.
Das kann man bei Margeriten, Winterastern, Sonnenbraut, Lampenputzergras, Indianernessel und vielen anderen beobachten. Auch für die modernen Schwertlilien-Sorten gilt das.
Völlig identischen Nachwuchs von einer Pflanze zu erzeugen, wird in der Fachwelt Klonen genannt. Was bedeutet das aber? Mancher denkt da gleich an Gentechnik. Stimmt aber nicht.
Im DUDEN steht: „Ein Klon ist die durch ungeschlechtliche Fortpflanzung gezogene Nachkommenschaft eines Individuums“. Genau das machen wir Gärtner etwa beim Teilen. Klonschaf Dolly lässt grüßen. Wir Gärtner klonen allerdings schon seit Jahrhunderten, ohne das an die große Glocke zu hängen. Auch das Vermehren aus Stecklingen zählt zum Klonen.
Völlig identischen Nachwuchs von einer Pflanze zu erzeugen, wird in der Fachwelt Klonen genannt. Was bedeutet das aber? Mancher denkt da gleich an Gentechnik. Stimmt aber nicht.
Im DUDEN steht: „Ein Klon ist die durch ungeschlechtliche Fortpflanzung gezogene Nachkommenschaft eines Individuums“. Genau das machen wir Gärtner etwa beim Teilen. Klonschaf Dolly lässt grüßen. Wir Gärtner klonen allerdings schon seit Jahrhunderten, ohne das an die große Glocke zu hängen. Auch das Vermehren aus Stecklingen zählt zum Klonen.