Nur die Harten kommen in den Garten … Sie kennen den Spruch. Wer unter Bäumen gärtnert, kann ihn ausnahmsweise einmal wörtlich nehmen. Zum Glück gibt es einige tapfere Pflanzenhelden, die es mit Wurzeldruck, Trockenheit und tiefstem Schatten aufnehmen und im Waldgarten gedeihen.
Viel Phantasie, vielleicht sogar ein klein wenig Naivität war uns von unseren Freunden attestiert worden. Ein Waldgrundstück auf purem Sand in ein Staudenparadies verwandeln – wie sollte das denn gehen? Ohne die Sonnenkinder und all die Prachtblüher? Doch nicht weniger hatten wir im Sinn, nachdem wir vor zehn Jahren endlich eine Datscha im Berliner Umland gefunden hatten. Die Ansprüche waren gewaltig, das Budget eher bescheiden und der Waldgarten sollte her.
So wurden es dann 1500 m2Sand unter Kiefern und Traubenkirschen. Immerhin, ein Gartenhaus mit Badezimmer, jede Menge Eichhörnchen und sehr nette Nachbarn. Letztere erwiesen sich für das Gelingen unseres Gartentraums schon bald von existenzieller Bedeutung, denn auch die Robustesten unter den Harten brauchen zum Anwachsen regelmäßig Wasser. So wurde also während unserer Abwesenheit immer mal der Schlauch über den Zaun gelegt.
Zuvor hatten wir die trockensten Standorte schon längst mit Lauberde aufgebessert. Beim Unterpflanzen von bereits etablierten Gehölzen ist das eigentlich immer zu empfehlen, denn die frische Humusschicht bietet den Neuankömmlingen einen nahrhaften Puffer, ehe sie bald auf die ernüchternde Wirklichkeit, den wurzeldurchzogenen Sand, treffen. Die Lauberde hatten wir in Ermangelung eigenen Komposts beim Grünflächenamt gekauft, etwa 25 m3 für unsere 1500 m2.
Und tatsächlich: Wir hatten gute Erfolge, Wald-Geißbart, Elfenblume ‘Sulphureum’, Immergrün (Vinca major), Grönland-Veilchen und Waldsteinie entwickelten sich prächtig im Waldgarten. Von ganz alleine hatte sich zudem die heimische Sternmiere am Zaun eingefunden und lugte mit ihren hübschen Sternblüten keck durch die Latten – ein bezaubernder Anblick.
Nach diesem schnellen Erfolg lenkten wir unseren Blick zunächst auf den Ausbau des Bungalows … Und ruckzuck hatte das starkwüchsige Immergrün klammheimlich die anderen Kleinen überrumpelt. Das liebliche Veilchen war komplett verschwunden, auch die Elfenblume kämpfte schwer, nur Waldsteinia hielt sich recht wacker.
Das war unsere erste Lektion: Zurückhaltende Pflanzen, die mit Schatten, Trockenheit und Wurzeldruck genug zu kämpfen haben, können sich nicht auch noch gegen Rabauken wie das Immergrün durchsetzen. Wir pflanzten um: Die Waldsteinie bekam die taffen Spätblüher Aster divaricatus und Anemone ‘Robustissima’ an die Seite, das Immergrün landete in gut kontrollierbaren Pflanztöpfen. Elfenblume und Veilchen wurden mit dem Wurmfarn vergesellschaftet, der keine Ausläufer bildet und brav am Platz bleibt.
Dabei pflanzten wir die niedrigen Bodendecker stets in großen Gruppen, bereichert um vereinzelte Tuffs größerer Stauden. So sieht es am natürlichsten aus, und so funktionierte es prima. Bald wurden neue Bereiche in Angriff genommen, neue botanische Schätze konnten im Waldgarten einziehen.
Zu meinen besonderen Lieblingen entwickelten sich der 20-30 cm hohe Kaukasus-Beinwell (Symphytum grandiflorum) und der kleine Rauling (Trachystemon orientalis), wobei vor allem letzterer auch mühelos dem Vollschatten unter Koniferen trotzt. Beiden gemein ist eine Eigenschaft, die sie gerade für Sandgärtner unentbehrlich macht: Sie produzieren über den Sommer große Mengen sehr nährstoffreichen Laubes, das eine unübertroffene Mulchdecke für andere Pflanzen abgibt!
Mit diesem Mulch machten wir so gute Erfahrungen, dass wir vor dem Winter noch einmal großzügig Laubkompost über allen Pflanzen verteilten, Falllaub rieselte obenauf. Was könnte es für Waldstauden auch Besseres geben? Doch im nächsten Frühjahr waren einige, allen voran die doch so taffe Sternmiere, arg gebeutelt. Auch Waldsteinie und Elfenblume hatten gelitten.
Lektion Nummer Zwei: Immer- bzw. wintergrüne Stauden vertragen eine winterliche Falllaubdecke nur in Maßen, nimmt sie doch Licht und Luft und hält Feuchtigkeit manchmal allzu gut. Fortan harkten wir also von den Immer- und Wintergrünen immer mal etwas Laub ab, verteilten den Laubkompost ansonsten weiterhin reichlich. Worin sich die Pflegemaßnahmen auch schon erschöpfen!
Nach einer etwas pflegeintensiveren Anwachsphase konnten sich mittlerweile alle Pflanzen bestens etablieren. Und so haben wir nun tatsächlich unseren pflegeleichten Staudengarten unter Bäumen – allen Unkenrufen zum Trotz. Wenn Sie mich fragen, liebe Problemstandort-Gärtner: Schauen Sie auf die Möglichkeiten. Und nicht auf die Unmöglichkeiten.
Kerstin Ackermann
Farne und andere Waldstauden lieben Feuchtigkeit – dabei ist eine gewisse Luftfeuchte im Schatten und Halbschatten aber wichtiger als ein nasser Boden. Nur so kann der Waldgarten wachsen und gedeihen.
Schatten, Trockenheit und Wurzeldruck erfordern eine spezielle Staudenauswahl. GartenFlora und die Gärtnerei AllgäuStauden haben ein entsprechendes Paket für ein 2,5 m2großes Beet unter Baum und Strauch zusammengestellt. Von Ende März bis September wird hier immer etwas blühen. Das Angebot gilt nur, solange der Vorrat reicht. Versand ins Ausland auf Anfrage.
Die Sternmiere ist ein Lichtbringer unter den Pflanzen. Sie sorgt im Mai und Juni für Erleuchtung. Wenn keine Stauden mit ihren Blüten diesen Part übernehmen, kann auch ein weißer Kiesweg den Bereich aufhellen.
Mediterranes Flair unter Bäumen! Der Bärenklau (Acanthus mollis) wächst in seiner südlichen Heimat eher im Schatten der Gehölze als in der Sonne. Am Gehölzrand behauptet er sich so gut, dass sein Ausbreitungsdrang manchmal gezügelt werden muss: Einfach die Samenstände kappen.
Im Waldgarten darf der Fingerhut nicht fehlen. Er ist zwar zweijährig und damit kurzlebig, erhält sich aber durch Selbstaussaat.