Man lädt sie voller Neugier ein, und dann passiert es: Sie schlagen munter über die Stränge und werden – trotz ihrer Schönheit – manchmal zu echten Plagegeistern.
Das Problem mit wuchernden Pflanzen, liegt im Verständnis vom Garten selbst: Ein Garten unterscheidet sich von der freien Natur durch die ordnende Hand des Menschen. Je reifer der Garten wird, umso mehr muss die Balance zwischen Natur und Menschenwerk gelenkt werden. Gibt es eine jahrelang bewährte Ordnung, können Rabauken unter den Stauden das Gleichgewicht empfindlich stören. Sie werden dann zu den Geistern, die man besser nicht gerufen hätte.
Dr. Konrad Näser
Ein kleiner Plagegeist ist zum Beispiel die Lampionblume (Physalis alkekengi). Sie ist nicht zu bändigen und schwer wieder loszuwerden.
Der Sachalin-Knöterich, Fallopia sachalinensis, ist auch so einer. Vermutlich kennen Sie den Rat, solche Übeltäter in einen Eimer ohne Boden zu pflanzen. Ja, das wirkt. Bis der Gefangene merkt, dass er drei Möglichkeiten hat, sich zu befreien: Über den Rand hinweg wachsen, unten herauskriechen oder warten, bis das Gefäß ein Loch in der Wandung offenbart. Dann aber durch! So genannte Rhizomsperren sind in der Dauerwirkung ähnlich.
Die Taubnessel – ihr Name ist zweifach negativ belastet. Wie kann man sie da als Gartenpflanze mögen? Das ist ein Vorurteil! Taubnesseln sind schön – dort, wo sie hinpassen. Es gibt also doch ein „Aber“. Und das betrifft vor allem eine: Die Florentiner Goldnessel, Lamium galeobdolon ‘Florentinum’. Ein ganzjährig grüner Blattteppich mit auffallend silbriger Zeichnung ist ihr Markenzeichen. Im Mai gibt es dazu noch leuchtend gelbe Lippenblüten – was will man im tiefen Schatten mehr? Mir würde das genügen, aber die Goldnessel tut noch mehr. Mit langen, oberirdischen Ausläufern, die unterwegs auch noch anwurzeln, erobert sie Neuland. Und zwar nach allen Seiten! Steht ein Strauch im Weg, klettert sie halbmeterhoch in ihn hinein.
Wird es trocken, dann hängen die Blätter wie kleine Waschlappen herum. Aber nach einem Regenschauer leben sie in prächtigem Grünsilber erneut auf. Es ist eine äußerst unerschrockene Staude!
Die eng verwandte Gefleckte Taubnessel, Lamium maculatum, ist ebenfalls ein Wucherkandidat. Auch sie ist wunderschön – vor allem, wenn im Herbst ihre silbergrünen Blattpolster durch das Falllaub leuchten. Sie hat bei mir allerdings ein Bleiberecht, denn sie lässt die Nachbarpflanzen leben und bedeckt den Boden an schwierigen Stellen. Es kann allerdings passieren, dass die ursprünglich gepflanzten Sorten in einem vielfarbigen Gemisch ihrer Nachkommen aufgehen.
Bei einer anderen Staude half der Zufall, dass ich mich gegen den Protest meiner Familie durchsetzen konnte: Unbedingt wollte ich einen panaschierten Giersch, Aegopodium podagraria ‚Variegata‘. Meine Frau hob die Hände: Giersch im Garten – bloß nicht! Dann bekam ich ihn als Geschenk. Sorgfältig pflanzte ich die Gabe in einen großen Tontopf und stellte sie zwischen Fuchsien und Rhododendren in den Halbschatten. Wie schön – einen Sommer lang. Als ich beim Aufräumen im Herbst den Topf anhob, da hingen schon die weißen Giersch-Rhizome unten aus dem Topf. Durch das Abzugsloch waren sie einfach ins Freie gekrochen.
Nun muss ich mir eine neue „Gefängnisstrategie“ ausdenken. Freigang im Garten – das geht einfach nicht! Sogar den Beinwell, Symphytum grandiflorum, habe ich verbannt. Dieser Beinwell kann in einem Jahr einen halben Quadratmeter überwachsen, alles sauber bedecken, schön blühen und dann auch noch Sämlinge verstreuen. Nein, so viel Platz habe ich auch für einen „Wohltäter“ nicht. Halt, doch! Zwischen Kompostplatz, Zaun und Plattenweg liegt ein Quadrat, das sonst nicht genutzt wird. Dort darf er wachsen und ich kann seine Blätter gleich als wertvolle Kompostzugabe nutzen.
Neben Stauden, die sich durch Ausläufer und Rhizome ausbreiten, gibt es noch „Saatstauden“, die sich im Garten durch Selbstaussaat verteilen. Sie sind selten so aggressiv wie die Wucherer. Die Sämlinge lassen sich durch Jäten eingrenzen. Ich lasse den Saatstauden im Garten eine Chance. Noch dazu, wenn sie an Stellen auftauchen, wo ich sie nie gepflanzt oder hineinkomponiert hätte. Die Überraschung, wenn sie gut dort gedeihen, ist dann perfekt. Gern dürfen bei mir deshalb Akelei (Aquilegia vulgaris), Goldschleier-Rudbeckie (Rudbeckia triloba), Mutterkraut (Tanacetum parthenium), Alaska-Alraune (Tellima grandiflora), Brauner Storchschnabel (Geranium phaeum) sowie Gelber und Weißer Lerchensporn (Corydalis lutea und Corydalis ochroleuca) herumgeistern.
Dr. Konrad Näser ist untrennbar mit der bekannten Gärtnerei „Karl Foerster“ in Potsdam-Bornim verbunden. Als Züchtungsleiter trat Dr. Konrad Näser nach Foersters Tod im Jahre 1970 in dessen Fußstapfen. Mehr über den Karl-Foerster-Garten erfahren Sie im PotsdamWiki.