Ziergräser … wer denkt da nicht gleich an die Weiten nordamerikanischer Prärien, ausgedehnte Steppengebiete Osteuropas, karge Savannen Afrikas und die Pampa Südamerikas? Oder eher an die Wiesen und Weiden Europas, an Kornfelder mit Weizen, Roggen, Gerste und Co.? Wir stellen Ihnen die wogenden Genossen vor und zeigen, welche Kombinationen im Garten verzücken.
Ziergräser – voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten
Sogar der mächtige, verholzende Bambus ist ein Gras! Die Vielfalt in Größe, Form und Farbe rührt daher, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Gewächse zu den Gräsern gehört. Mit etwa 10.000 Arten in mehr als 650 Gattungen stellt sie eine der größten Familien innerhalb der Blütenpflanzen. Aber Moment, Blüten? Dazu später mehr.
Den Vorzug der Vielfalt spielen Gräser in der Gartengestaltung voll aus. Die Welt der Gräser beherbergt horstige Riesen ebenso wie flächige Gras-Minis. Und ihr Blattgrün kann auch mit anderen Farben aufwarten.
Die Fruchtstände sind mal filigran perlenartig wie bei der Rutenhirse, mal elegant fedrig wie beim Federgras oder kompakt igelig wie bei der Morgenstern-Segge. Ihr Formenreichtum reicht vom straff aufrechten Reitgras (Calamagrostis x acutiflora ‘Karl Foerster’) bis hin zu bogig überhängendem Chinaschilf (Miscanthus sinensis ‘Ferner Osten’).
Sie gedeihen in voller Sonne, wie Gewimpertes Perlgras (Melica ciliata), oder im lichten Schatten, wie zum Beispiel Weißbunte Vogelfuß-Segge (Carex ornithopoda ‘Variegata’). Trockenkünstler wie Engelshaar (Stipa tenuissima) kommen mit leichten Sandböden zurecht, andere, wie Japan-Waldgras (Hakonechloa), verlangen frischen Humusboden.
Damit sind Ziergräser absolute Allroundtalente für jeden Garten. Und noch ein Plus: Sie bringen über ihre Blattbüschel und Fruchtstände dezente Struktur, Leichtigkeit und Transparenz in eine Pflanzung. Die verschiedenen Wuchshöhen und -formen können, geschickt gestaffelt, eine erstaunliche Raumwirkung erzielen. Ziergräser mildern die geballte Pracht auffallender Blüten und schaffen dabei einen filigranen Kontrast zu breiten Blättern.
Mosaikhaft und wie zufällig zwischen Pflanzen gesetzt, verhelfen Ziergräser sogar einem Prachtstaudenbeet zu ungezwungener Natürlichkeit. Großflächig in nur einer Art gepflanzt, wecken sie Erinnerungen an vom Wind rhythmisierte Wellen weitläufiger Getreidefelder – ein Privileg größerer Gärten.
Unschlagbar sind Ziergräser zusammen mit Stauden im Look einer Wildblumenwiese, zum Beispiel mit Prachtkerze, Skabiose, Mohn, Kugel- und Edeldistel, Astilbe, Silberkerze, Sonnenhut, Astern, Ehrenpreis, Duft- oder Indianernessel.
Toll ist auch die Komposition mit Zwiebel- und Knollenpflanzen wie Kugel-Lauch oder filigranen Pflanzen wie dem Patagonischen Eisenkraut (Verbena bonariensis). Zarte oder opulente Blühwunder gewinnen durch Ziergräser: Kleinteiliges kommt besser zur Geltung, der Blick für Unscheinbares wird geschärft. Ideal für experimentierfreudige Gärtner und Floristen!
Damit Ziergräser gut einwurzeln können, pflanzt man sie besser im Frühjahr. Schade nur, dass das Frühjahrs-Sortiment im Handel und bei Züchtern eher dürftig ist. Die Alternative: Im Herbst kaufen, im Topf dick einschlagen und erst im Frühjahr an die vorgesehene Stelle pflanzen.
Und: Empfindliche Arten wie Herbst-Anemone oder die kurzlebige Prachtkerze kommen grundsätzlich besser erst im Frühjahr in den Boden – ebenso wie sämtliche Gräser. Nach einer Herbstpflanzung wurzeln diese oft nicht mehr ausreichend tief ein. Folgt dann ein strenger Winter, vertrocknen sie allzu leicht.
Gräserblüten sind von vergleichsweise unauffälliger Schönheit, da Süßgräser Windbestäuber sind. Sie verzichten auf starke Blütenformen, -farben, auf Duft oder eine „Nektarbar“ zum Anlocken von Tieren. Bei der Pollenübertragung durch den Wind regiert allerdings der Zufall. Das gleichen Ziergräser mit der Massenproduktion von Blütenstaub aus. So wird zumindest ein kleiner Teil des kurzlebigen Pollens sein Ziel, die weiblichen Narben, erreichen.
Die Blütenstände in Form von Ähren, Rispen und Trauben entwickeln sich später zu dekorativen Fruchtständen, die sich mit seidigen Grannen oder auffallenden „Samen“ schmücken. Das belebt Ihren Garten bis in den Winter mit zauberhaften Blickfängen, mal tropfenschwer überhängend, mal frostig überhaucht oder mit Schneehäubchen verziert.
Ziergräser sind stets für Überraschungen gut: Versuchen Sie es doch mal Ton in Ton mit Blau-Schwingel (Festuca glauca) und dem silbrigen Laub der Blauraute (Perovskia abrotanoides). Frech ist die Kombination von Kopfgras (Sesleria autumnalis) mit kugelig geschnittener Blut-Berberitze (Berberis thunbergii ‘Atropurpurea’), die sich im Slalom ihren Weg durchs steife Blattgrün bahnt.
Ein „Kopf-an- Kopf-Rennen“ liefern sich Buchs und die Schöpfe vom Weißgelben Japan-Waldgras (Hakonechloa macra ‘Alboaurea’). Ungewöhnlich, aber sehr effektvoll ist der Einsatz hoher Gräser als durchscheinender Vorhang: Rohr-Pfeifengras (Molinia caerulea subsp. arundinacea) durchwirkt lila Verbenen-Blüten (Verbena bonariensis) ganz wundervoll. Und Sie dachten, Ziergräser seien bloß grasgrün? Weit gefehlt!
KARIN WACHSMUTH
Stellen Sie sich vor, Sie liegen in einer Wiese, den blauen Himmel über sich, Wolkenwatte zieht vorüber. Zarte Gräserblüten umrahmen Ihre Aussicht. Plötzlich fährt eine Windböe in die strohblonden Rispen, drückt sie mal nach links zu einem kompakten Bausch zusammen, striegelt sie im nächsten Augenblick nach rechts einzeln auseinander. Mit jeder Bewegung ihrer schlanken Halme ändert sich das Blickfeld: Längst Bekanntes wird verdeckt, bisher verborgene Details werden sichtbar. So entsteht ein reizvolles Wechselspiel zwischen Sehen und Erahnen.
Genau das funktioniert auch im Garten. Schon lange kennt man den Trick, die Gesamtansicht teilweise zu verstellen, um Grundstücke größer wirken zu lassen. Gezielt platzierte Durchblicke bieten dann Anreize fürs Auge, befeuern die Neugier des Betrachters, locken in hintere Bereiche und lassen darüber die vermeintliche Begrenztheit des Gartenraums vergessen.
Und: Die Engländer haben dieses Prinzip in ihren von hohen Schnitthecken eingefassten Gartenzimmern zur Perfektion getrieben. Doch nicht immer möchte man sich massiven Wänden aus Eibe oder Scheinzypresse gegenübersehen. Allzu oft fehlt auch schlicht der Platz dafür, vom Pflegeaufwand mal abgesehen. Hier bieten hochwüchsige Stauden und Ziergräser mit schleier- bis netzartigen Blütenstrukturen eine überzeugende Alternative.
Sie blocken das Licht und die Sicht nicht so vehement wie eine Hecke, wirken dadurch leichter, luftiger – und sie bringen vor allem eine weitere, wichtige Dimension ins Spiel: die der Dynamik. Jeder Windhauch rührt an ihren ranken Stängeln. Ganze Pflanzungen geraten so regelrecht in Wallung.
Oft genug übernehmen transparente Pflanzen zudem tragende Rollen im Beet-Ensemble. Und sie lassen sich, anders als Hecken, mit überschaubarem Aufwand etablieren, umgruppieren oder bei Nichtgefallen auch wieder entfernen.
Schweift dann der Blick über die schlanken, fedrigen Blütenkerzen des hellrosa Kandelaber-Ehrenpreises (Veronicastrum virginicum ‘Pink Glow’) oder sucht er sich den Weg durch das Gespinst hoher Pfeifengras-Rispen (z. B. Molinia arundinacea ‘Transparent’), bekommt der Garten etwas Weiches, Sanftes. Scharf umrissene Elemente im Hintergrund verlieren optisch an Kontur und Masse. Fixpunkte, die zum Abschätzen von Entfernungen dienen, werden damit nonchalant überspielt.
Der Betrachter wird ausgetrickst und bekommt größere Weite vorgegaukelt. Pflanzt man darüber hinaus ein paar der Luftikusse wie das Chinaschilf (Miscanthus sinensis ‘Ferner Osten’, ‘Silberfeder’ oder ‘Flamingo’) direkt an die Gartengrenzen, fällt es vollends schwer, die Größe des Areals exakt zu umschreiben.
Wer aber sind nun diese durchsichtigen Gestalten? Allen voran natürlich die Ziergräser. Sie feiern im Spätsommer und Herbst ihren großen Auftritt. Dann, wenn ihre Spelzen schimmernde Silber-, Gold- und Bronzetöne annehmen und sich die Strahlen der tiefer stehenden Sonne in den feinen Grannen und Härchen verfangen.
Genau diese Lichteinflüsse sind es, die das ohnehin schon duftige Erscheinungsbild vieler Gräser ins Grandiose steigern. Fast könnte man meinen, sie begännen aus sich selbst heraus zu strahlen. Mal fließend, mal aufbrausend wie Wolkengebilde legen sich dann die zahllosen Rispen von Rasenschmiele (Deschampsia cespitosa), Liebesgras (Eragrostis trichodes), Rutenhirse (Panicum virgatum), Pfeifengras (Molinia) und Tautropfengras (Sporobolus heterolepis) in den Wind.
Unter den Stauden sind es ebenfalls die Träger besonders fein angelegter Blütenstände, die Durchsichten auf den Gartenhintergrund erlauben. Schleierkraut und Riesenschleierkraut (Crambe cordifolia) wären hier zu nennen, ebenso wie einige Sorten von Wiesenraute (Thalictrum) und Federmohn (Macleaya).
Daneben gibt es eine ganze Reihe von Pflanzen, die ihre Blüten an dünnen, drahtigen Stängeln hoch in die Lüfte erheben, so dass man mühelos durch sie hindurchlinsen kann. Das Patagonische Eisenkraut (Verbena bonariensis) etwa, ebenso wie Kerzen-Wiesenknöterich (Bistorta amplexicaulis) und Wiesenknopf (Sanguisorba), Prachtkerze (Gaura lindheimeri), Kandelaber-Ehrenpreis (Veronicastrum virginicum) und Japanische Herbst-Anemone (Anemone hupehensis var. japonica). Mit ihnen an der Seite darf der Garten wahrlich mehr Transparenz wagen!
SASKIA RICHTER
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