Der Bauernmarkt in Potsdam ist beliebt. Mehr zufällig komme ich dort vorbei: Gemüse, Blumen, Honig und – ein kleiner Stand mit getopften Stauden. Mein Blick bleibt an fünf Töpfen mit blühenden Wiesenrauten hängen. Tatsächlich, eine Marktfrau bietet Chinesische Wiesenrauten, Thalictrum delavayi, an. Gute, kräftige Pflanzen und zu einem angemessenen Preis.
Überrascht, aber in Eile, gehe ich weiter und nehme mir vor, später vorbei zu kommen, um den gesamten Bestand zu kaufen. Doch zu spät! Die Marktfrau war weg. Dabei hätte ich zu gern gefragt, wie sie es anstellt, so kräftige Jungpflanzen heranzuziehen. Mir selbst gelingt das nämlich nicht so leicht. Unverrichteter Dinge kehrte ich also zu meinen eigenen Vermehrungsversuchen zurück.
Bei der einheimischen Akeleiblättrigen Wiesenraute, Thalictrum aquilegifolium, kommen die Sämlinge fast von selbst, und ich pflanze sie gern. Mit ihren rosalila oder weißen Blüten im Mai und Juni bereichert sie meine Staudenrabatten. Sie hat übrigens keine Blütenblätter, sondern nur dichte Büschel von Staubfäden.
Im Gegensatz dazu haben die asiatischen Wiesenrauten zwar ebenfalls viele hellgelbe Staubfäden, aber außen herum noch einen Kranz aus zartlila Blütenblättchen.
Sie wachsen stärker als die einheimischen, fast mannshoch, blühen erst im Juli und August und lieben es, wenn ihre Wurzeln bis in feuchtere Bodenregionen hinab reichen können. Sonst sind sie leider kurzlebig. Recht bekannt sind zwei Arten, die mittelhohe chinesische, Thalictrum delavayi, und die sehr hohe japanische, Thalictrum rochebruneanum.
Mindestens ebenso wichtig ist mir die Gelbe Wiesenraute, Thalictrum flavum ssp. glaucum. Diese südeuropäische Art setzt der Schönheit der Wiesenrauten noch eins drauf. Sie trägt ihre büscheligen, leuchtend hellgelben Blüten bis 140 cm hoch über dem blaugrauen Laub. Zudem ist sie kräftig im Wuchs, ausdauernd und gesund – das Musterbeispiel einer Rabattenstaude des Hochsommers.
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Als Blattschmuckstaude geht dagegen die Kleine Wiesenraute, Thalictrum minus ‘Adiantifolium’, gut durch. Sie verfügt über zwei Eigenschaften, die die anderen nicht haben: Sie wächst auf kalkigen, trockenen Gebirgsmatten, braucht also keine Verbindung zu feuchtem Boden, und sie wird nur 50 cm hoch. Ihre nickenden, hellgelben Blüten sind nicht so auffallend wie die der anderen Arten, aber ihre mehrfach geteilten Blätter erheben sie zur Blattschmuckstaude. Im sortennamen ‘Adiantifolium’ klingt die Ähnlichkeit zum Frauenhaarfarn auch an.
Die Blätter werden gern als Schnittgrün für Sträuße verwendet und gelegentlich sogar mit einem Farn verwechselt. Englandreisende kennen einen besonderen „Edelstein“ von Thalictrum delavayi: die gefüllt blühende Sorte ‘Hewitt’s Double’.
Nur etwa 120 cm hoch, reckt sie ihre helllila Blütenknöpfchen dem begeisterten Betrachter entgegen, viele Dutzende an einem Stängel. Manchmal muss man sie wegen der schweren Blütchen sogar stützen.
Und schon wieder plagt mich die Vermehrungs-Frage: Wie machen das bloß die Engländer, diese Kostbarkeit zu vervielfältigen? Auf der Insel leuchtet sie dem Besucher in vielen privaten und herrschaftlichen Gärten entgegen, bei uns nicht. Auch fünfzig Jahre Staudenerfahrung helfen manchmal nicht weiter.
Kaltkeimer, Schnellkeimer, Lichtkeimer, Dunkelkeimer, Direktaussaat, Frühjahrsaussaat? Alles hatte ich probiert und freute mich, wenn mal 15 Sämlinge hochkamen. Doch im vergangenen Frühjahr war plötzlich eine Saatkiste voll gekeimt, wie eine Bürste!
Volltreffer, das war’s: Direktsaat unmittelbar nach der Ernte, gut bedeckt und dann als Kaltkeimer stehen gelassen.
Es war eine Kiste mit der Japanischen Wiesenraute, Thalictrum rochebruneanum. Lieber noch hätte ich gesehen, wenn mir das mit dem Thalictrum delavayi gelungen wäre.
Doch jetzt ist der Groschen gefallen und gewissenhaft ernte ich nun wieder jedes neue Samenkorn. Warum die Mühe? Man muss wissen, dass sich die Wiesenrauten den Versuchen, sie durch Teilen oder Stecklinge zu vermehren, zumeist widersetzen. Für größere Stückzahlen bleibt nur die Aussaat.
Dr. Konrad Näser