„Einen Wald auf dem Dach zu haben oder eine wilde Wiese oder einen Gemüsegarten, wird selbstverständlich sein“, prophezeite Künstler Friedensreich Hundertwasser bereits vor über 30 Jahren. Und tatsächlich sieht die Zukunft der Dachbedeckungen äußerst grün aus. Dass Menschen ihre Behausungen bepflanzen, ist aber nichts Neues: Bereits vor Urzeiten wurden Dachwurze und andere robuste Pflanzen als Schutz vor Blitzschlag auf Dächer gepflanzt. Dachbegrünung hat dabei nicht nur ökologische, sondern auch ästhetische Vorzüge. Wie funktioniert eine Dachbegrünung und welche Pflanzen eignen sich?
Dachbegrünung – voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten
Eine schöne Vorstellung – die Natur kommt in die Stadt zurück. Das ist längst kein romantischer Tagtraum mehr. Die Dachbegrünung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Denn Gründächer verbessern nicht nur unsere Wohnqualität, sie sorgen unter anderem auch dafür, dass mehr Niederschlagswasser verdunstet und gleichzeitig weniger Abwasser produziert wird. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung zukünftiger Hitze- und Überflutungsgefahren in den Städten. Dachbegrünung gilt somit als eine von vielen entscheidenden Maßnahmen im Hinblick auf die sich stetig verschärfende Klimakrise.
Für (Landschafts-)Architekt*innen sowie Stadtplaner*innen zählt das Begrünen flacher Neubauten mittlerweile zum Standardrepertoire des Bauens. Der positive Einfluss der Gründächer auf das Stadtklima ist schließlich eindeutig. So ist es im Sommer über einer Pflanzendecke bis zu 30 °C kühler, als über grauen Betondächern. Und im Winter wirkt ein Gründach dann isolierend. In einigen Landkreisen und Kommunen wurde die Flachdach-Begrünung sogar bereits zur Auflage in den Bebauungsplänen gemacht.
Doch im privaten Bereich sieht es leider noch anders aus. Trotz der vielen positiven Effekte und obwohl man zum Teil finanziell unterstützt wird, wenn man ein Stück Natur in die Stadt oder Siedlung zurückholt, stehen die meisten Hausbesitzer*innen der Dachbegrünung leider skeptisch gegenüber. Sie befürchten etwa, dass das Dach beschädigt werden könnte oder das Vorhaben womöglich zu teuer und zu aufwendig ist.
Aber vielleicht fangen Sie einfach mal klein an. Versuchen Sie sich doch zunächst an Ihrem Geräteschuppen, Ihrem Holzunterstand oder, ganz einfach, begrünen Sie das Vogelhäuschen. Es gibt sogar Boxen, zum Beispiel als Abstellmöglichkeit für Fahrräder, deren Dach so gestaltet ist, dass es mit Stauden, Gräsern, Kräutern oder Gemüse bepflanzt werden kann. Je kleiner das erste Projekt, das sie sich vornehmen, desto einfacher lässt es sich starten!
Für solche Kleinprojekte empfiehlt sich die einfachste Variante der Dachbegrünung, die Extensivbegrünung. Sie arbeitet vorzugsweise mit anspruchslosen Pflanzen, die schon mit einer sehr dünnen Substratschicht auskommen.
„Extensivbegrünung“ – was bedeutet das?
Unter einer „extensiven Dachbegrünung“ versteht man eine selbsterhaltende Pflanzung, die wenig Substrat sowie keine künstliche Bewässerung benötigt. Hauptbestandteil sind daher trockenresistente und robuste Pflanzen wie beispielsweise Moose, Sukkulenten oder Kräuter, die alleine mit dem Wasser der natürlichen Niederschläge zurechtkommen.
Am häufigsten werden niedrige Fetthennen (Sedum) in verschiedenen Arten und Sorten sowie Dachwurze (Sempervivum) verwendet. Sedum-Sorten sind aufgrund ihres Wurzelwerkes ideal für die Dachbegrünung geeignet. Über dem immergrünen Blattwerk bilden sich im Sommer zahlreiche gelbe Blütensternchen. Schöne sind beispielsweise ‚Weihenstephaner Gold‘, deren Blüten aufgrund der großen Blühfreudigkeit teilweise das gesamte Blattwerk überdeckt, oder die Blüten des ‚Immergrünchen‘, die ein echter Bienenmagnet sind.
Dazu können niedrige sowie polsterbildende Stauden und Zwiebelpflanzen kombiniert werden, beispielsweise Katzenpfötchen (Antennaria dioica), Zwerg-Glockenblumen (Campanula cochleariifolia), Schnittlauch (Allium schoenoprasum) und Polster-Thymian (Thymus-Hybriden). Um Akzente zu setzen, sollten Sie einige Gräser und höhere Stauden dazu pflanzen. Hier bieten sich Blaugrünes Schillergras (Koeleria glauca), Zittergras (Briza media), Haar-Federgras (Stipa capillata), Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium), Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria) und Ausdauernder Lein (Linum perenne) an.
Bevor es an ein richtiges Häuserdach geht, sollten Sie sicher sein, ob das zu bepflanzende Dach eine Last von 80–170 kg/m² tragen kann. So wiegt eine Extensivbegrünung wie man sie oft auf Garagen sieht in etwa 120 kg/m². Das entspricht ungefähr dem Gewicht einer typischen fünf bis sechs Zentimeter hohen Kiesschutzschicht auf einer Garage.
Außerdem muss das Dach eine Neigung von mindestens 2 % aufweisen, damit das Wasser abfließen kann. Im Idealfall beträgt die Neigung auch nicht mehr als 15 %. Sie müssen dann keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen, die das Abrutschen des Substrates verhindern.
Sind diese Fragen geklärt, legen Sie als erstes eine wurzelfeste und UV-stabile Kunststofffolie, zum Beispiel Teichfolie, über die Dachabdichtung. Darüber kommt eine zwei bis drei Zentimeter dicke Dränschicht aus Lava oder Bimskies, die überschüssiges Wasser aufnimmt und es den Dachabläufen zuführt.
Damit das Substrat nicht in die Dränschicht ausgewaschen wird, legen Sie ein dünnes Vlies darüber. Anschließend tragen Sie die Substratschicht auf, die aus etwa 60 % Kultursubstrat und 40 % Lava oder Tongranulat bestehen sollte. Pflanzt man ausschließlich Moose, Sedum und Sempervivum, reicht eine 2–5 cm hohe Substratschicht aus. Kommen Gräser und Stauden dazu, sollte die Schicht 8 bis 10 Zentimeter hoch sein.
Setzen Sie Pflanzen mit möglichst flachen oder kleinen Ballen ein. Oder Sie verwenden vorkultivierte Pflanzenmatten. Es gibt auch Sedumsprosse, die Sie einfach nur aussäen. Kurz angießen und dann gemütlich zurücklehnen. Um Ihr Gründach müssen Sie sich in der Folgezeit kaum kümmern. Lassen Sie vor allem das Gießen sein! Sie würden damit nur die Ansiedlung von Unkräutern fördern. Ab und zu muss man noch die Sämlinge von Bäumen und Sträuchern entfernen. Aber mehr ist nicht zu tun.
Steile Dächer sind in der Regel nicht so leicht zu begrünen. Das Substrat darf nicht abrutschen. Daher gibt es Kunststoffgitter, die das Substrat und die Pflanzen festhalten.
Fetthenne auf dem Dach einer Hundehütte, einem Vogelhäuschen oder einem Insektenhotel – warum eigentlich nicht? Ihr Hund wird sich mit den kleinen grünen Gesellen sicher gut verstehen und die Insekten freuen sich über zusätzliche Blütennahrung. Außerdem halten die Pflanzen jede Behausung im Sommer deutlich kühler als eine nackte Dachpappe. Ein grünes Fetthennen-Polster schmückt sommers wie winters, denn die hübschen Dickblattgewächse sind wintergrün.
Gräser, Sommerblumen oder Kräuter verwandeln Dächer in der Nähe von Sitzecken für Urban Gardener in kleine Naturoasen. Auch ein Carport könnte ähnlich mit einem begrünten Dach gestaltet werden und wirkt besonders natürlich, wenn einige Pflanzen mit langen Trieben über den Rand hinaus wachsen.
Dabei muss es nicht bei der horizontalen Begrünung bleiben. Auch in die Vertikale können Gartenhäuschen und Co. verschönert werden, zum Beispiel, indem man Kletterrosen und Waldreben an den Seiten und am Giebel hochranken lässt. Zusammen mit Fetthenne, Hauswurz oder Gräsern auf dem Dach entstehen so märchenhafte Anblicke!
MONICA LIETZAU
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