Ein wunderschöner Waldgarten lockt in jedem Jahr Hunderte zur Rhododendronblüte in die Südheide. Rudi Hemme, der Besitzer, erzählte uns die aufregende Geschichte.
Diesen Tag vor über zehn Jahren wird Rudi Hemme nicht vergessen. 300 schwarzbunte Rinder stehen im Stall. Sohn Lars-Christian und der Vater sind beim Melken. Im Radio hatte man turbulentes Wetter angekündigt. Nichts Besonderes für die Lüneburger Heide. Schon so mancher Sturm zog über Deutschlands Norden. Und es wurden immer mehr in den vergangenen Sommern. Doch diesmal sollte er anders sein.
10.000 Quadratmeter misst der Garten der Hemmes. Na ja, Garten. Eher ein Arboretum, eine Baumsammlung. Mit Douglasien, Eichen, Erlen, Eschen, Eiben. Immer am kleinen Bach entlang. Gleich nebenan hat die Familie den Hof aufgebaut, das Wohnhaus, die Ställe. Hemmes sind Bauern. Landwirte, sagt man heute. Mit 1000jähriger Familientradition. Einst sorgten Heidekartoffeln für das Auskommen, dann die Rinder. Vor 15 Jahren begann Landwirt Hemme, die Baumriesen des Gartenwaldes zu unterpflanzen. Mit Rhododendron, „weil der auch im Winter grün ist. Ich hatte ja keine Ahnung vom Garten….“ 100 bis 150 Stück wurden in den sauren Heideboden gesetzt.
Und nicht alles ging gut. Die sauren Boden liebenden Alpenrosen begannen zu kümmern. Der Boden in der Südheide war ihnen zu sauer. Unter ph-Wert 5 wächst nichts mehr, lernte Rudi Hemme. Also musste Kalk her. Und Hackschnitzel und Mist zum Mulchen. Da freuten sich die Waldmäuse, nisteten sich dort ein und nagten so nebenbei an den Rhodo-Wurzeln. Man lernt eben einfach nicht aus. Aber immer dazu. Gärtner-Eleve Hemme hatte herausgefunden, dass sich Funkien, Heuchera, aber erstaunlicherweise auch kalkliebende Stauden wie Leberblümchen, Salomonssiegel, Eisenhut als nette Begleitpflanzen eignen. Sie malten bald ein schon beeindruckendes Waldgarten-Bild.
Wenn da der Tag im Juli des Jahres 2000 nicht gewesen wäre. Die Schwarzbunten im Stall waren mit der Melkmaschine verkabelt, und im Radio lief die Meldung über einige lokale Unwetter. Nichts, was im Stall Besorgnis erregte. Die Kühe gaben an diesem Tag viel Milch. Gute Milch. Plötzlich und in Sekunden flog das Stalldach weg, und von draußen drang das Knacken und Splittern von Holz in das ungeschützte Gebäude. Augenblicke später war es wieder still, und die Medien verloren an den nächsten Tagen nicht ein Wörtchen über das, was hier in Faßberg passiert ist: „Der Tornado wütete offenbar nur über unserem Grundstück. Bei den Nachbarn blieb alles fast unbeschadet.“
Die Erinnerung ist noch wach nach fast 12 Jahren. Im Garten fielen in wenigen Sekunden 100 Bäume um und begruben die Rhododendren unter sich. In dem Moment wollte Rudi Hemme nicht mehr. Er dachte ans Aufgeben. Heute steht auf einer Lichtung im Wald ein Gartenhaus aus Holz. Aus dem Holz seiner Bäume. Auf der Terrasse gibt es Kaffee, und Jack Russel-Terrier Klausemann genießt die Morgensonne. Rudi Hemme hat die Landwirtschaft inzwischen an Lars-Christian weitergegeben und lebt im komfortablen achteckigen Gartenhaus: „Mein Altenteil!“ Rund um die Terrasse ist ein wunderschöner Waldgarten entstanden, und die ungezählten Baumstümpfe, von denen die meisten längst von Clematis oder Jelängerjelieber erobert wurden, erinnern als stumme Zeugen an den einen Tag im Juli. Rudi Hemme hat also nicht aufgegeben.
„Als ich hier anfing, hatte ich ja gar keine Ahnung vom Garten.“
Jedes Jahr wird der Garten von Hunderten besucht, wenn sich an einem Wochenende zur Rhododendronblüte die Pforten öffnen. „Letztes Mal haben wir bei 800 Leuten aufgehört zu zählen“, erinnert sich der Gärtner. Der Garten bietet ja Platz für alle, und die entdecken auf den blütengesäumten Waldwegen immer wieder etwas: einen Brunnen, da die nächste Bank und dort die Brücken über das Bächlein, das wenig weiter in der Örtze mündet.
Am Ufer stehen Mammutblatt, Astilben, Etagenprimeln. Rudi Hemmes neuestes Projekt: Wege aus geschnittenen Baumstammscheiben und Kieseln ziehen sich schon da und dort durch die Waldgartenlandschaft. Begleitet von Grasnelken, Kuhschellen, Semperviven, Fetthennen. Rudi Hemme, für den einst ein Rhododendron vor allem grün war, hat viel gelernt in Sachen Garten. Er hat jetzt Zeit dafür. Und Spaß daran sowieso.
Autor: Christian Gehler