Erst kamen ‚Ylenia‘ und ‚Zeynep‘. Mit ‚Antonia‘ traf nur wenig später das nächste Sturmtief Deutschland. Alle drei brachten orkanartige Böen und richteten innerhalb weniger Tagen in vielen Regionen Deutschlands große Sturmschäden an. Doch nicht nur die aktuellen Ereignisse zeigen teils verheerenden Kräfte. Häufig reichen schon schwächere Stürme aus, um Baumveteranen zu Fall zu bringen – gerade wenn Schwächen im Holzkörper unbeachtet bleiben. Unser Fachredakteur Arne Janssen ergründet mit Dr. Horst Stobbe, Geschäftsführer des Instituts für Baumpflege in Hamburg, worauf es bei der Vorsorge ankommt.
Sturmschäden – voraussichtliche Lesedauer: 5 Minuten
Dunkle Wolken ziehen auf, erste Windböen kündigen das Ereignis an – schon fegt der Sturm über unseren Garten hinweg. Auch wenn die Böen mal nicht so stark sind, können sie trotzdem Sturmschäden anrichten: Denn auch wenn die Bäume in Herbst und Winter noch nicht belaubt sind, bieten sie eine gewisse Angriffsfläche.
Begriffsdefinition: Sturm und Orkan
Vielen ist sicher noch der Orkan ‚Kyrill‘ in Erinnerung. Er fegte im Jahr 2007 mit bis zu 225 km/h über Norddeutschland hinweg, sorgte aber auch in anderen Regionen für massive Zerstörung. Trauriger Spitzenreiter war ‚Lothar‘, der zu Weihnachten 1999 in Süddeutschland mit zerstörerischen 272 km/h Sturmschäden fabrizierte, indem er ganze Hänge entwaldete und Hausbäume entwurzelte.
Nun beschäftigen uns die Sturmschäden von ‚Zeynep‘, Wintersturm ‚Ylenia‘ und Sturmtief ‚Antonia‘. Orkantief ‚Zeynep‘ sorgte zum Start ins Wochenende mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h für Unruhe. Vor allem an der Nordsee erreichte er stellenweise sogar Spitzengeschwindigkeiten von über 140 km/h. Bereits zuvor hatte ‚Ylenia‘ mit Orkanböen von über 150 km/h auf dem Brocken gewütet. Und auch ‚Antonia‘ schaffte auf dem Brocken im Harz sowie auf dem Feldberg im Schwarzwald extreme Orkanböen von über 140 km/h.
Die drei Orkane haben Spuren der Verwüstung in Deutschland hinterlassen und die Frage nach der Schadenshöhe kann bislang noch niemand genau beantworten. In der Ruhe nach dem Sturm haben nun die Aufräumarbeiten oberste Priorität. Auch in unseren Gärten müssen Sturmschäden behoben werden.
Doch wie gehen wir zukünftig vor, um größere Schäden an unseren Bäumen zu verhindern? „Auch wenn solche Orkane nur alle Jahrzehnte mal auftreten, wird die Anzahl der Stürme mit hohen Windgeschwindigkeiten infolge des Klimawandels doch häufiger“, weiß Dr. Horst Stobbe, Geschäftsführer des Instituts für Baumpflege in Hamburg.
„Zudem verstärken trockene und heiße Sommer die Totholzbildung. Gerade alte Bäume trennen sich dann aufgrund der Wasserknappheit im Boden von Starkästen oder ganzen Kronenpartien – sichern so ihr Überleben in Extremsommern wie 2018 und 2019. Das Totholz wird nicht sofort zur Gefahr, kann aber nach Jahren plötzlich herunterbrechen und gefährdet Immobilien wie die eigene Gesundheit“, erklärt der versierte Sachverständige.
Im Sommer machen die abgestorbenen Äste im schlechtesten Falle noch den Weg für die Sonne frei: Werden dünnborkige Bäume wie die Buche auf einmal an ihrer sonst vom Laub beschatteten Südseite stark beschienen, bekommt der Baum durch die immer stärker werdende Sonnenstrahlung einen Sonnenbrand, und die Rinde stirbt ab. Dann treten Pilze ein, der Stamm wird instabil, und der Baum muss gefällt werden.
Sind die Bäume noch belaubt, bieten sie generell eine noch größere Angriffsfläche. Gerade beim Spitz-Ahorn mit dem spröden Holz werden manchmal ganze Kronenteile abgeweht. Auch dicht belaubte Zwetschgenkronen sind wie ein Großsegel, und der Stamm kann im Sturm Mastbruch erleiden.
Ein weiteres Problem sind Astgabelungen, sogenannte Zwiesel. Bei Silber-Linde (Tilia tomentosa), Vogel-Kirsche, Buche und besonders beim Silber-Ahorn ‘Laciniatum Wieri’ mit seinen attraktiv geschlitzten Blättern streben gern zwei, drei gleichwertige Spitzentriebe in die Höhe.
Ab Mitte Oktober nehmen die Stürme dann durch die Temperaturunterschiede zwischen Nord- und Südeuropa Fahrt auf. Während im Süden noch T-Shirt-Wetter herrscht, braucht man im Norden also schon Handschuhe und Pudelmütze. Treffen nun beide Luftmassen aufeinander, schiebt sich die warme Luft aus dem Mittelmeerraum über unsere kalte, schwerere Luft. Je höher dabei die Temperaturdifferenz, desto größer sind die Luftdruckunterschiede und desto stärker fallen dann auch die Winde aus.
In jungen Jahren lässt sich das leicht korrigieren: Mit der Gartenschere werden überzählige Konkurrenten auf eine tiefe Seitenverzweigung abgeleitet, eine Spitze bleibt stehen. „Belässt man die Zwiesel, wächst hier eine mögliche Sollbruchstelle“, erzählt Horst Stobbe. „Der Sturm biegt und dreht den Baum, dabei reißen Vergabelungen ein, und es gibt auch Risse im Holzkörper. Die Überwallung setzt aber erst ab Mai ein, bis dahin bieten die Risse Eintrittspforten für holzzerstörende Pilze.
Je stärker die Stürme, desto größer die Risse. Nach Jahren können diese Vergabelungen, auch Druckzwiesel genannt, dann ausbrechen. Manchmal geht dann die halbe Krone einer mächtigen Buche zu Boden“, so der Fachmann. „Im Verdachtsfall oder auf eine Anregung der Nachbarn, sollte man seine ehrwürdigen Gartenbäume von Fachleuten inspizieren und bei Bedarf pflegen lassen. Gerade wenn sich feuchte Stellen an der Rinde, abgestorbene Großäste in der Krone oder gar Fruchtkörper von Pilzen am Stamm zeigen, wird es höchste Zeit.“
ARNE JANSSEN
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