Ein Garten, gestaltet im naturalistischen Stil? Was genau sich dahinter verbirgt, erfuhren wir beim Besuch in Jochen Wegners Pflanzenreich in Groß Potrems. Hier ist die Natur Ideengeber.
Ach nein, dieses Konzept passt nicht zu seinem Verständnis von Garten, erklärt Jochen Wegner bestimmt, und grenzt sich damit ab von den Verfechtern der Naturgartenlehre. Ausschließlich heimische Wildarten zu verwenden, wie dort gefordert, würde ihn doch allzu sehr einschränken.
Schließlich hat der Agrarwissenschaftler seine Gartenleidenschaft als passionierter Pflanzensammler begonnen und auf zahlreichen botanischen Reisen in den fernen Osten, nach Amerika und Kanada die Vielfalt und den Reiz fremdländischer Arten für sich entdeckt.
Außerdem: Sind all die Knöteriche, Sonnenhüte oder Goldkolben denn nicht auch Wildstauden? Nur eben nicht hier im Mecklenburgischen zu Hause, sondern in anderen europäischen Ländern, in Nordamerika oder Asien – in Landstrichen mit ähnlichen klimatischen Bedingungen.
Also öffnete Jochen Wegner sein rund 1000 Quadratmeter großes Grundstück, das sich U-förmig um das Klinkerhaus der Familie legt, den wilden Schönen aus aller Welt. Standortgerecht angeordnet und kombiniert, verweben sie sich nun im vorderen trockenen Gartenteil, in den Schattenbereichen, am Teich und am Gehölzsaum zu vielfältigen, harmonischen Pflanzenbildern, die wirken, als hätte die Natur selbst sie so gemalt: der naturalistische Gartenstil.
Der Weg dorthin folgte einem stetigen Lernprozess. Immer wieder musste Jochen Wegner in seinen anfänglichen Sammlerjahren zahlreiche Pflanzenschätze von den Bestandslisten streichen: Sie hatten sich still und heimlich davongemacht oder konnten schlicht dem Drängen des Unkrauts nicht standhalten. „Oft fehlte uns auch die Zeit, um Giersch und Winde rechtzeitig zu bekämpfen. Wir sind mit der Pflege der Beete einfach nicht mehr hinterhergekommen.“
Einige längere Dienstreisen ins Ausland hinterließen zudem große Schäden in den auf sich selbst gestellten Pflanzungen. Außer bei vielen Wildarten, ihren Varietäten und wenig veränderten Auslesen. Sie schienen robust und durchsetzungsfähig genug, um sich auch allein gegen die Attacken der Schnecken und Quecken zu wehren, erkannte Jochen Wegner rasch. Und so fiel, wenn auch schweren Herzens, die Entscheidung: „Schluss mit der aufwändigen Pflanzensammelei und dem aussichtslosen Kampf gegen das Unkraut“.
Hochgezüchtete Pfingstrosen, Taglilien-Hybriden und Bart-Iris, die viel Aufmerksamkeit erfordern, anfällige oder ständig mickernde Sorten, auch der Pracht-Storchschnabel, der immer auseinanderfiel – sie alle hatten im Garten fortan keinen Platz mehr.
Stattdessen zog eine stattliche Schar wüchsiger, kraftstrotzender Staudenriesen ein: Goldkolben (Ligularia), Wasserdost (Eupatorium), Federmohn (Macleaya), Bergknöterich (Aconogonon speciosum ‘Johanniswolke’) und Telekie (Telekia), kombiniert mit den imponierenden Halmbüschen des Chinaschilfs (Miscanthus).
Sogar der Sachalin-Flügelknöterich (Fallopia sachalinensis), ein gefürchteter, invasiver Neophyt, bekam bei Jochen Wegner seine Chance: „Eingeklemmt zwischen Hauswand und konkurrenzstarken Nachbarn lässt er sich ganz gut im Zaum halten. Seine wuchtigen, rund vier Meter hohen Triebe neigen sich im Herbst blütenschwer zu Boden und sind dann einfach ein überwältigender Anblick.“
In den eher trockenen Bereichen des Gartens machen sich dagegen Frauenmantel, Spornblume, Katzenminze, Brandkraut und zahlreiche Storchschnäbel breit. Problemlos fügen sich zudem die dicken Tuffs der Taglilie ‘Maikönigin’ ins Bild: Mit ihren kleinen, goldgelben Trompeten hat sich diese alte Sorte viel natürlichen Charme bewahrt. Unbekümmert wandern die Wildstauden und ihre vitalen Auslesen sowie allerlei Gräser nun nach und nach immer weiter in die Rasenflächen ein.
Und das durchaus nach Plan, versichert Jochen Wegner: „So bleibt der Boden stets bedeckt und das Unkraut beherrschbar“. Die „Reste“ des Rasens mäandern weich schwingend durch die Pflanzungen, mal großzügig geweitet, mal zu einem schmalen Band verengt.
Diese grünen Pfade ermöglichen es dem Besucher, tief in die üppigen Staudenwiesen einzutauchen und all die Farben, Formen, Düfte, das Rascheln des Laubs, auch die zahllosen, vom reich gedeckten Tisch angelockten Falter, Insekten, Vögel hautnah zu erleben.
Besonders eindrucksvoll offenbart sich diese Wahrnehmung am Teich: In einer natürlichen Senke auf schwerem Lehm gelegen, kommt die Wasserlandschaft ohne Folienabdichtung aus. Entsprechend ist der Boden im weiteren Umfeld stets gut durchfeuchtet.
Und so wachsen die markanten Blätter des Schildblatts (Darmera peltata), gelbe Sumpf-Schwertlilien (Iris pseudacorus), purpurrosa Blutweiderich (Lythrum salicaria) und die schaumigen Blütenstände des Kamtschatka- und des Roten Mädesüß (Filipendula kamtschatica, F. rubra) zu ungewöhnlicher Größe heran.
Sibirische Wiesen-Iris (Iris sibirica) und weitere Iris-Arten (I. setosa, I. versicolor, I. virginica) knüpfen mit Gauklerblumen, Tibet-Primel, Sumpf-Storchschnabel und der attraktiven Bach-Kratzdistel (Cirsium rivulare ‘Atropurpureum’) einen wilden, farbenfrohen Ufersaum. Angesichts solch ungezwungener Anmut beginnt man zu begreifen, was es für Jochen Wegner heißen mag, die Vollkommenheit und Ästhetik natürlicher Pflanzengemeinschaften nachzubilden.