Flower Shows sind nicht einfach nur Blumenschauen! Von wegen. Im Vereinigten Königreich hat das Thema Garten einen weit höheren Stellenwert.
Straßenzüge werden abgesperrt, Tausende Besucher stehen frühmorgens in kilometerlangen Staus oder reisen in überfüllten Zügen an. Und das nur, um eine Gartenausstellung, eine Flower Show zu besuchen.
Die größte und bedeutendste, die Chelsea Flower Show im Herzen Londons, zieht jedes Jahr im Mai über 160 000 Besucher an – innerhalb von nur fünf Öffnungstagen! Auch die Queen, streng abgeschirmt vom Publikum, absolviert jährlich ihren Rundgang.
Die Tickets sind bereits Wochen im Voraus ausverkauft und später nur noch unter der Hand zu bekommen: schon mal für mehrere Hundert Pfund. Die Briten sind eben ein gartenverrücktes Völkchen!
Allerdings wird ihnen auch einiges geboten: Die besten britischen und internationalen Gartengestalter lassen innerhalb von 19 Tagen teils beachtliche Showgärten bauen, die während der gesamten Show-Woche belagert werden.
Besucher erhalten Gestaltungstipps vom Profi, finden Kontakt zu Gleichgesinnten, und schließlich jede Menge Gartenaccessoires, ausgefallene Skulpturen aus Stein, Bronze oder Holz, antike Gartenwerkzeuge, charmante Gartenmode. Oder sie trinken eins der gut 6500 Gläser Pimm’s mit Eis, die auf der Show serviert werden, und genießen die einmalige Atmosphäre diesers Events. Und sowieso gilt: sehen und gesehen werden.
Fünf große Flower Shows, zwei in London, eine bei Manchester und zwei im walisischen Malvern sowie weitere acht kleinere ziehen jährlich insgesamt eine halbe Million Besucher an.
Über das eigentliche Gartenprogramm hinaus sind sie immer auch gesellschaftliche Ereignisse mit abendlichen Partys auf dem Showgelände, prominenten Gästen und farbenfroher Kleinkunst. Das Herzstück sind 20 bis 35 traditionelle, moderne, zuweilen futuristische Designer-Gärten.
Für große Showgärten werden schon mal 300 Tonnen Naturstein verbaut oder weit über eine Million Pfund für den Aufbau ausgegeben. Die BBC berichtet täglich im Fernsehen. Über zwei Millionen Zuschauer schalten allein für die Chelsea Flower Show ein.
Die Schaugärten werden am Tag vor dem offiziellen Öffnen der jeweiligen Show bewertet. Bis die Preisrichter allerdings eintreffen, wird über Wochen aufgebaut und bis zur letzten Sekunde geharkt, gewässert, Verblühtes entfernt, Wege gefegt. Schließlich soll sich jeder Garten von seiner besten Seite präsentieren – und eine der begehrten Medaillen gewinnen.
Gestalter Ian Hammond setzte auf den natürlichen Charme wildhafter Stauden in Kombination mit heimischen Gräsern und Wiesenblumen. So gesellen sich Steppen-Salbei, Knautien, Patagonisches Eisenkraut (Verbena bonariensis) und Storchschnäbel zum feingliedrigem Hasenschwanzgras mit seinen fluffigen Blütenständen, die jeden Sonnenstrahl einfangen und dabei hell aufleuchten. Eine blütendurchwirkte Wiese für den Stadtgarten!
Den Rahmen geben geschwungen verlaufende Wege und Mauern aus Hartbrandklinkern. Der Gegenpart zur naturhaft wirkenden Wiese sind opulent in Weiß blühende Ball-Hortensien (Hydrangea arborescens), streng geformte Buchskugeln und in regelmäßigen Abständen gepflanzte Magnolienhochstämme.
Wer es nachmachen möchte, beachte: Die Wirkung farbenfroh blühender Beete wird durch einen ruhigen, am besten dunklen Hintergrund ungemein gesteigert, wie hier in Ians Garten durch eine dichte, hohe Hainbuchenhecke.
Weiterhin im Trend: das Cocooning, der Rückzug ins gemütliche Heim – oder eben in kuschelige Gartenecken. Schlicht, offen und dennoch gemütlich hat Gestalterin Sarah Kayser ihren Garten eingerichtet.
Im Vogelnest aus Weidengeflecht sitzt es sich geschützt, ohne den umgebenden Garten aus den Augen zu verlieren. Den erfrischenden Kontrast zur rustikalen Sitzkugel bildet die in strahlendem Weiß gehaltene Bepflanzung.
Beachtenswert: Auf nur rund 25 m2 finden ein Teich mit Seerose, ein Duftrasen aus Römischer Kamille (Sorte ‘Treneague’) sowie gelbblühende Sedumteppiche Platz, dazu Beete mit weißen Strauchrosen, Mannstreu und den prächtigen Blütenlanzen der Steppenkerze(Eremurus). Alles miteinander durchdie Kreisform verbunden, die sich im Nest, in Trittplatten und demWasserbecken wiederholt.
Gestalter Frederic Whyte setzte bei dieser Gestaltungsidee auf die starke Kontrastwirkung zwischen formal-rechtwinkligem Teich mit quadratischer Insel auf der einen Seite – und den üppig sonnengelb blühenden Staudenrabatten als Teicheinfassung auf der anderen.
Dem schwarz eingefärbten Wasser hauchen die in regelmäßigen Abständen angebrachten Sprudelfontänen Leben ein.
Nicht ganz praxistauglich: Der Rasen auf der Insel dürfte schwer zu mähen sein.
Kühl, dennoch wohnlich wirkt dieser von starren und geschwungenen Linien dominierte Garten in Blau-Violett. Schon eher eine Idee zum Abgucken!
Denn wer sich wie Rae Williams auf wenige Farben und einfache Gestaltungselemente beschränkt, erzielt die stärkere Wirkung. Eine eindrucksvolle Skulptur, eine Solitärpflanze oder wie hier die organisch geformte Holzbank kommen in einem schlicht gehaltenen Rahmen viel besser zur Geltung.
Paul Hervey-Brookes orientiert sich an traditionellen Vorbildern und lässt sich auch bei der Planung von Showgärten nicht dazu verleiten, Pflanzenarten oder Kombinationen zu verwenden, die in der Praxis nicht bestehen würden.
So entstand ein Designergarten mit Gelinggarantie! Der Entwurf ist eine gute Lösung für schmale Reihenhausgärten.
Pauls besondere Idee: Ein offen gestalteter und mit Schiefer überdachter Sitzplatz gewährt Durchblick zu den Gemüsebeeten im Hintergrund. Damit trennt und verbindet er zugleich Küchen- und Ziergarten. Das schafft Spannung und lässt auch kleine, langgestreckte Grundstücke um einiges größer erscheinen. Ein breiter, von Staudenbordern gesäumter Rasenweg verstärkt diesen Effekt noch.
Die beruhigend saftiggrüne Grasnarbe ist der Kontrast zu den farbenfrohen Rabatten mit Rispenhortensien, Schafgarben in Gelb und Rosa, den lila leuchtenden Blütenkerzen der Prachtscharten sowie vielen weiteren Stauden und Ziergräsern.
Klitzekleiner Makel an dieser Pflanzidee: Die Hauptblütezeit der verwendeten Stauden liegt im Sommer. Sicher wäre es gut, den Beeten zusätzlich einige Frühjahrs- und Herbstblüher zu spendieren, um die Saison um einige Wochen zu verlängern. Genau das ist die Krux an manchen Show-Gärten: Sie sind eben nur für eine Woche gemacht.