Keine Farbe bietet frostigen Tagen effektvoller Paroli als Rot. Nur mal genau hingeschaut: So manche Blätter, Früchte, Rinden zünden zwischen Raureif und Schnee wahre Leuchtsignale.
Nicht nur der Mensch greift im Winter gerne mal zu rotem Schal und Mütze oder dekoriert die Stube mit Kissen und Kerzen in Feuerfarben, um der Kälte und garstigem Wetter ein Schnippchen zu schlagen.
Wer offenen Auges durch den Garten flaniert, dem schwant bald, dass sich ein paar seiner Bewohner gegen das winterliche Grau- In-Grau verschworen zu haben scheinen: Da blitzen Beeren wie rot lackierte Perlen aus eisfunkelndem Geäst.
Ein Saum feiner Raureifkristalle schärft die Konturen der kupfernen Zaubernussblüte. Wintersonne entfacht die gedeckten Rubin- und Purpurnuancen manch immergrüner Staude zu ungeahnter Glut. Und die knallrot gestrichene Bank, vor Monaten noch als viel zu gewagt empfunden? Im vom Frost gebleichten Garten wird sie zum unverzichtbaren Hingucker.
Keine Farbwahl erscheint jetzt passender. Selbst die Tierwelt setzt auf Rot: Dompfaff und Rotkehlchen, nun wieder häufiger zu Gast, plustern die rostorangene Brust. Unterm Falllaub sammeln sich die Marienkäfer. Und zählen ihre Pünktchen?
Rot und Rotorange sind typische Farben für „Vogelfrüchte“: Viele Gehölze, die sich beim Verbreiten ihrer Nachkommenschaft von Drossel oder Star unter die Arme greifen lassen, putzen ihre Samen mit einer verführerisch und weithin leuchtenden Hülle heraus.
Doch nicht jede der dargebotenen Beerenauslesen ist beim Federvieh gleichermaßen beliebt. Süßkirsche, Vogelbeere (Sorbus aucuparia) oder Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) verschwinden ruckzuck in den hungrigen Schnäbeln.
Die rote Zier anderer Arten bleibt dagegen lange unberührt. Etwa die von Stechpalme (Ilex), Feuerdorn (Pyracantha), Zwergmispel (Cotoneaster horizontalis, C. bullatus, C. dielsianus), Zierapfel (Malus ‘Red Sentinel’, ‘Red Jade’, ‘Professor Sprenger’), Berberitze (Berberis thunbergii), Baumwürger (Celastrus orbiculatus), Gemeinem Schneeball (Viburnum opulus) sowie zahlreichen Wildrosen.
Glück für uns! An gut sichtbarer Stelle platziert, bildet ihr reicher Fruchtbehang schon eine kleine Attraktion in der weißen Winterlandschaft.
Immergrüne Stauden und Gehölze betreiben im Winter weiterhin Photosynthese. Allerdings verlangsamt sich diese bei sinkenden Temperaturen. Da kann den Pflanzen die dargebotene Lichtmenge schon mal zu viel werden, zumal sie nach dem Laubfall ihrer Nachbarn ohnehin mehr Sonne abbekommen.
Um Schäden an ihren Blättern zu vermeiden, helfen sich einige Arten mit einem Trick: Sie lagern vermehrt rote Farbstoffe (z. B. Anthocyane) ein. Die wirken wie ein UV-Filter und schützen vor zu viel Licht. Dem Gartengestalter steht damit eine interessante Palette bronzeroter bis fast schwarzpurpurner Töne zur Verfügung.
Besonders imposante Rotfärber sind zum Beispiel Bergenie (‘Baby Doll’, ‘David’, ‘Eroica’, ‘Oeschberg’), Elfenblume (Epimedium x perralchicum ‘Frohnleiten’, E. x rubrum) und Rotmoos-Sedum (Sedum album ‘Coral Carpet’). Bei den Gehölzen: Traubenheide (Leucothoe walteri), Berberitze (Berberis julianae, B. verruculosa), Mahonie (Mahonia aquifolium ‘Apollo’, M. x media ‘Charity’) oder Himmelsbambus (Nandina domestica).
Es müssen nicht unbedingt die leuchtenden Rottöne sein, die im Winter die Blicke auf sich ziehen. Gerade durch das tiefstehende Wintersonnenlicht kann die eine oder andere Pflanze oder sogar eine bisher wenig beachtete Gartenpartie einen fast mystischen Zauber entfalten.
Wer jetzt mit offenen Augen durch den Garten oder auch durch Parkanlagen geht, entdeckt vielleicht das eine oder andere Gehölz, das insbesondere im Winter mit Eigenschaften auftrumpft, die in den anderen Jahreszeiten nicht so gut zur Geltung kommen. So können die Strahlen der tiefstehenden Wintersonne die abschilfernde Rinde vom Zimt-Ahorn fast wie edles dünnes Papier wirken lassen.
Auch viele Birken brillieren im Winterlicht: Birken mit ihren im Alter oft schneeweißen Stämmen gehören zu den Gehölzen, die das oft rare winterliche Sonnenlicht zu spiegeln vermögen. Sie sorgen auch besonders schnell für Reflexionsfläche: Die Papier-Birke, deren abblätternde Rinde von den amerikanischen Ureinwohner sogar als Schreibmaterial genutzt wurde, wächst 30 bis 80 cm pro Jahr, ehe sie bei maximal 30 m Höhe verweilt. Die Himalaya-Birke mit dem strahlendsten Weiß aller Bäume stoppt bei 15 m.
Andere Gehölze spielen mit der Sonne, indem sie wie die Papier-Birke große Rindenfetzen abblättern lassen: Die mahagonifarbene Rinde der Tibetischen Kirsche, die rotbraune Borke des Zimt-Ahorns wirken dann wie eine getönte Scheibe, hinter der das Sonnenlicht plötzlich gülden schimmert.
Doch selbst ohne weiße oder abschilfernde Rinde werden Gehölze zu faszinierenden Lichtfallen im Garten: Die waagerechten Äste des Pagoden-Hartriegels beispielsweise bieten dem Schnee zahllose Bühnen, um in kristallklarem Schein zu brillieren.