Oft suchen Haus und Garten Schutz hinter hohen Hecken. Nicht so bei Claus-Peter Gering. Sein vielseitig gestaltetes Pflanzenreich im mecklenburgischen Örtchen Walkendorf öffnet sich zur weiten, sanft geschwungenen Landschaft. Das Ergebnis: abwechslungsreiche Gartensituationen mit einmaligen Aussichten.
Dichte, weiße Nebelschlieren fließen bedächtig über die Felder dahin, schimmernd im ersten Licht der aufgehenden Sonne. Taunasse Blätter überziehen sich mit seidigem Glanz, in den Federrispen der Gräser funkeln die Wasserperlen.
Es ist früh am Morgen, als uns Claus-Peter Gering empfängt. Vor einem hübschen Fachwerkhaus mit tief gezogenem Dach, das sich in den Garten hineinzuducken scheint. Grüntöne beherrschen hier an der Nordseite das Bild.
Allen voran die der Funkien mit herrlichen blaugrauen und cremeweißen Nuancen, kombiniert mit Schaublatt, Farnen, Lenzrose und Frauenmantel, dazwischen Türkenbund-Lilie und Salomonssiegel. Ach, und da, das Sibirische Tellerkraut (Montia sibirica). Seine fleischigen Blättchen eignen sich doch ganz hervorragend als Wintersalat – schon sind wir mitten drin im Fachsimpeln.
Fundiertes Pflanzenwissen ist für Claus-Peter Gering Voraussetzung für das Gestalten eines Gartens mit seinen unterschiedlichen Lebensbereichen.
„Ich plane meine Pflanzungen sehr bewusst und habe eigentlich immer schon eine ganz konkrete Vorstellung, wie das neue Areal aussehen soll.“ Eine Folge: Das 1994 gekaufte, rund 1000 Quadratmeter große Grundstück musste bereits im Jahr darauf um noch mal die gleiche Fläche erweitert werden. Wo sonst hätten all die vielen erdachten Szenerien Raum finden sollen?
Zunächst umfasste ganz traditionell eine hohe, frei wachsende Strauchhecke den Garten und schottete ihn nach außen ab. Viel zu schade, in einer Gegend, die durch eine jahrhundertealte Kulturlandschaft geprägt ist, erkannte der aufmerksame Beobachter bald. Wo weitläufige Wiesen und Felder, eingestreute Wäldchen, Gehölzknicks und Wasserläufe ein idyllisches Landpanorama malen.
Also wurde die Hecke aufgelöst und der Garten zur Umgebung geöffnet. Der weite Blick in die „geborgte Landschaft“ außerhalb des Zauns ist damit zu einem wesentlichen Gestaltungselement geworden.
Andersherum sollten prägende Merkmale der mecklenburgischen Feldflur Einzug in den Garten halten. Das gelang etwa mit kleineren Strauchinseln und -streifen, Überresten der einstigen Hecke, welche die typischen Gehölzgruppen und Knicks der Gegend widerspiegeln. Auch die Gewässer draußen fanden ihr Pendant, in zwei großen, naturnah gestalteten Teichen.
Der Garten selbst ist in verschiedene Bereiche gegliedert, jeweils mit eigenem thematischem Schwerpunkt: Schattengarten, Hochstaudenflur, Schwimmteich, Moor, Gehölzrand, Präriestaudenbeet, Hügelbeet…
„Die Idee war, Räume zu schaffen, die mit dem Wohnraum korrespondieren“, erläutert der belesene Gärtner, „schließlich verbringen wir so viel Zeit wie möglich draußen.“ Alle Bereiche sind durch ein Netz weich schwingender Rasenwege und schmaler Pfade mit rustikalem Natursteinpflaster verknüpft.
Wo notwendig, trennen Sträucher oder Gruppen von Großstauden und Chinaschilf die einzelnen Räume auf sehr unauffällige Art optisch voneinander. Höhenunterschiede tun ein Übriges: Da der Garten nach hinten leicht abfällt, wurde das Gelände mit niedrigen Feldsteinmauern abgefangen.
„Solche Pflanzterrassen bieten viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten als eine topfebene Fläche“, empfiehlt Claus-Peter Gering, und fügt belustigt hinzu: „Früher haben wir die Steine dafür tonnenweise von den Feldern gesammelt, den Landwirten war’s nur recht. Dann aber kamen immer mehr Sammler. Inzwischen verkaufen die Landwirte ihre Steine!“
Gräser haben es dem Walkendorfer Bürgermeister angetan, besonders das Chinaschilf (Miscanthus) mit seltenen Sorten wie ‚Ferner Osten’ oder ‘Verneigung‘. Und erst diese gelblaubigen: Gold-Segge (Carex elata ‚Aurea‘) oder Japanisches Waldgras (Hakonechloa macra) in seiner rein gelben Form ‚All Gold‘!
Auch der neue Präriegarten verspricht Spannendes. Seine Anlage begann vor drei Jahren auf einer zugepachteten, 500 Quadratmeter großen Fläche. Großzügig sollte die Pflanzung ausfallen, mit einer Anmutung der weiten Prärien Nordamerikas.
„Dafür habe ich die Stauden in größeren Gruppen gepflanzt, meist mit fünf bis zehn, auch mal mit 40 Stück einer Sorte. Angeordnet wurden sie in „Drifts“, also in Form geschwungener Bänder“, erzählt Claus-Peter Gering. Nun schließen sich bereits die Bestände und bilden im Spätsommer und Herbst ein wogendes Blütenmeer aus Sonnenbraut, Indianernessel, Sonnenhut, Wasserdost, Staudensonnenblume und Gräsern.
Dazwischen immer wieder der Kerzenknöterich (Persicaria/Bistorta amplexicaulis), einer der Favoriten des Pflanzenkenners. Neue Sorten wie ‚Speciosa‘, ‚Orange Field‘ oder ‚Pink Elephant‘ sind nicht leicht zu beschaffen. „Wenn’s sein muss, bestelle ich sie eben aus Übersee, oder lass’ sie mir von Bekannten mitbringen.“
So detailliert die Beete durchgeplant sind, sie wirken ausgesprochen natürlich. Das liegt zum einen an der Vorliebe des Gärtners für Wildstauden, die er auch gerne mal mit den großen Prachtblüten von Türkischem Mohn, Taglilie und Pfingstrose kombiniert. Zum anderen an seiner Toleranz: Samenwerfende Vagabunden wie Akelei, Frauenmantel oder Karden-Distel dürfen überall stehen bleiben, wo sie nicht stören. So gestaltet sich mancher Gartenteil fast von allein. Nur punktuell wird ab und an regulierend eingegriffen, Unkraut gezupft, Verblühtes ausgeschnitten. „Fellpflege“ nennt Claus-Peter Gering das dann. Ich notier´s mit einem Schmunzeln.
Saskia Richter