Der phänologische Kalender gliedert das Jahr nicht in vier, sondern in zehn natürliche Jahreszeiten. Eine Einteilung, die auf dem Erfahrungswissen unserer Vorfahren beruht und zum Teil schon Jahrhunderte alt ist. Egal wann und wo, dieser Kalender ist immer gültig.
Auf den Kalender mit seinen vier Jahreszeiten kann man sich nicht immer verlassen, wenn es um den tatsächlichen Beginn der Jahreszeiten geht. Orientieren Sie sich bei anstehenden Gartenarbeiten daher besser an der Natur, insbesondere an der Entwicklung der Vegetation.
So weiß jeder Rosenliebhaber, dass er seine Lieblinge erst schneiden sollte, wenn sich die Forsythienblüten öffnen. Erfahrungsgemäß sind dann keine starken Fröste mehr zu erwarten, die dem zarten Neuaustrieb schaden könnten.
„Wenn die Birke Kätzchen hat, ist es Zeit zur Gerstensaat“ – auch viele Bauernregeln geben Auskunft, wann der richtige Zeitpunkt für bestimmte Tätigkeiten ist. Schon vor Jahrhunderten beobachteten Bauern die Natur, um herauszufinden, welche Pflanzen oder Tiere einen eindeutigen Hinweis geben, dass sich eine Jahreszeit ändert. Bei Pflanzen kann das der Beginn der Blüte oder der Beginn der Blattentfaltung sein, bei Tieren das Erwachen aus der Winterruhe.
Es befasst sich sogar eine eigene Wissenschaft damit, solche periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen von Pflanzen und Tieren zu beobachten: die Phänologie – die „Lehre von den Erscheinungen“.
Die Phänologen halten den Beginn dieser charakteristischen Erscheinungen im sogenannten phänologischen Kalender fest. Dieser unterteilt das Jahr in zehn Jahreszeiten: Vor-, Erst- und Vollfrühling, Früh-, Hoch- und Spätsommer, Früh-, Hoch- und Spätherbst sowie Winter. Entwicklungsstadien wie Blühbeginn, Laubfärbung oder Blattfall typischer Pflanzen (Zeigerpflanzen) kündigen diese zehn Jahreszeiten an.
Die phänologischen Jahreszeiten sind also nicht wie die astronomischen und meteorologischen Jahreszeiten an fixe Anfangs- und Enddaten gebunden. Sie können je nach Region unterschiedlich früh oder spät beginnen. Beispielsweise öffneten sich in einem Jahr die Apfelblüten in Karlsruhe am 19. April. Auf Rügen entfalteten sich die Blüten dagegen erst am 14. Mai. Damit begann der Vollfrühling dort gute drei Wochen später.
Die Eintrittszeitpunkte der phänologischen Jahreszeiten differieren zudem in den verschiedenen Jahren, da sie auch vom jährlichen Witterungsverlauf beeinflusst werden. Aber welchen Vorteil hat dann dieser variable Kalender? Er ist für jede Saison und alle Regionen gleichermaßen gültig und kann von jedem Gärtner und Landwirt verwendet werden.
Die Erkenntnisse aus der Phänologie sind aber nicht nur für die Gärtner und Landwirte von Bedeutung. Die vom Deutschen Wetterdienst gesammelten und erfassten Daten werden zudem für Klimaforschung, Agrar- und Forstwissenschaft, Geografie und den Polleninformationsdienst für Allergiker genutzt.
Etwa 1220 ehrenamtliche Pflanzenbeobachter unterstützen den Deutschen Wetterdienst bei seiner Arbeit. Sie notieren während der gesamten Vegetationsperiode die gefragten Daten der Pflanzenentwicklung.
Vielleicht ist das ja auch etwas für Sie? Sie müssen dafür nicht unbedingt Landwirt, Gärtnermeister, Pflanzenschutzberater oder Biologielehrer sein – jeder Naturliebhaber kann sich engagieren und in die neue Materie einarbeiten.
Monica Lietzau
Schon seit einigen Generationen untersuchen Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Klima und den Erscheinungen der Natur: Für die letzten Jahrzehnte lässt sich feststellen, dass sich der Ablauf der Jahreszeiten verändert hat.
Austrieb, Blüte und Fruchtreife setzen früher im Jahr ein, während im Herbst die Laubfärbung und der Blattfall zum Teil später dran sind. Die Vegetationsperiode dauert in Mitteleuropa um bis zu zwei Wochen länger. Nach derzeitigem Wissensstand führt man dieses Phänomen auf den globalen Klimawandel zurück.